Freitag, 28. Dezember 2007

4000 Meter am Limit!

Ich habe ja bereits erzählt, dass ich im neuen Jahr zum ersten Mal etwas strukturierter nach Plan laufen will. Dafür habe ich mir den virtuellen Trainingsplan von Viktor Röthlin ausgesucht, der einem ein ganz individuelles Training vorgibt. Diesem Trainingsplan gibt man dann sein persönliches Feedback zurück, worauf der Plan sich den erbrachten Leistungen individuell anpasst. Ich habe das jetzt schon mal zwei Wochen ausprobiert (daher kam das Intervalltraining mit Charly) und für gut befunden.
Damit der Vic-Plan mich einschätzen kann, muss ich 4000 Meter auf Zeit laufen, also richtig schnell, so schnell wie ich kann. Und davor hatte ich bisher immer einen ziemlichen Horror - so kurze Strecken am Limit zu laufen, das mag ich ja nicht unbedingt wirklich gerne. Für meinen zweiwöchigen Probeplan hatte ich die Zeit einfach geschätzt, ohne die 4 Kilometer wirklich gelaufen zu sein, nämlich auf 19 Minuten und 55 Sekunden. Das kam mir zwar viel zu optimistisch vor und ich war eigentlich sicher, die 4 km nicht wirklich unter 20 Minuten zu schaffen, aber der Trainingsplan, der sich aus dieser 4-Kilometer-Zeit für mich ergeben hat, war total ok.
Und heute wollte ich es wissen. Wie schnell kann ich sie nun wirklich laufen, diese verflixten 4 Kilometer? Kann ich das tatsächlich unter 20 Minuten schaffen, also in einem Kilometerschnitt von unter 5 Minuten, oder werde ich eher 21 Minuten oder gar 22 Minuten brauchen?
Mit meinem superschicken neuen Forerunner 205, den mir das Christkind gebracht hat *freu*, lief ich heute vormittag bei acht Grad minus los. Was für eine tolle Art, dieses schicke Teil einzuweihen! Ein normaler Dahinhoppel-Lauf würde meinem edlen neuen Forerunner als Einweihungslauf doch gar nicht gerecht.
Ich lief mich zwei Kilometer ganz langsam ein und steuerte auf den flachen Radweg zu, den Charly mir vorgestern abend gezeigt hat und der für diesen Zweck einfach ideal ist. Flach, asphaltiert, keine Autos. (Und keine zugefrorenen Seen, die mir in die Quere kommen.)
OK, Hase, jetzt zeig, was du drauf hast, jetzt gibt es kein Zurück mehr. Ich hatte vor, die ersten drei Kilometer in einem glatten Fünf-Minuten-Schnitt zu laufen und dann auf den vierten und letzten Kilometer zu schauen, ob ich noch beschleunigen kann, um so auf knapp unter 20 Minuten zu kommen.
Also los, Gummi. Ich schaue nach ca. 300 Metern zum ersten Mal auf meine Pace und stelle fest, dass ich mit einem Schnitt von 4 Minuten und 35 Sekunden laufe. Nee, Hase, vergiss es, so wird das nichts. Du musst langsamer machen, sonst brichst du gnadenlos ein. Diese Pace hältst du vielleicht einen Kilometer lang durch, aber keine vier. Also pendele ich mich auf ca. 4 Minuten und 57 Sekunden ein. Diese Pace von knapp unter fünf Minuten gefällt mir, so habe ich das Gefühl, mein Ziel erreichen zu können und sogar noch etwas Luft zu haben. Es geht, dieses Tempo kann ich halten. Auch den zweiten Kilometer schaffe ich in 4:56. Durchhalten, die Hälfte ist geschafft. Den dritten Kilometer schaffe ich auch wieder in 4:57 und fange schon ein bisschen an, mich zu freuen. Nur noch ein Kilometer. Jetzt nur durchhalten, nicht langsamer werden, vielleicht am Schluss noch etwas Gummi geben? Ein Kilometer kann so lang sein, wenn einem langsam schlecht wird und der Bauch anfängt, wehzutun! Aber ich schaffe es, das Tempo auf die letzten 300 Meter noch etwas anzuziehen, ich warte sehnsüchtigst darauf, dass mein neues Spielzeug mir durch ein Piepsen das Ende dieser Qual ankündigt, es piepst, ich schaue auf den FR, sehe, dass ich den letzten Kilometer in 4:49 gelaufen bin, keuche, japse, bleibe stehen, hole Luft, und freue mich wie blöd.
Das ergibt eine 4-Kilometer-Zeit von 19 Minuten und 39 Sekunden, das ist irre für mich! Ich bin tatsächlich jeden dieser vier Kilometer unter fünf Minuten gelaufen, das hätte ich mir nie zugetraut.
Und das bei acht Grad minus - ich habe wohl robuste Lungen....
Ich bin total euphorisch und freue mich einfach. Nachdem ich 200 Meter gegangen bin, um meinen Puls wieder runterzubringen, falle ich wieder in einen gemütlichen Trab und laufe heim, wo Charly schon auf mich wartet. Natürlich falle ich ihm gleich überglücklich um den Hals, und er staunt nicht schlecht über seinen Hasen und freut sich riesig mit.
Jetzt freue ich mich noch mehr auf mein Laufjahr 2008, mit meinem neuen Forerunner 205 und so einer schönen 4-Kilometer-Zeit könnte es doch gar nicht besser anfangen.
Da geht noch was!

Donnerstag, 27. Dezember 2007

Allgäu, Kälte, Sonnenschein

Das Allgäu wird seinem Ruf in den letzten Tagen, seit wir hier sind, mehr als gerecht, und ich genieße dieses herrliche Winterwetter in vollen Zügen. Als wir Dienstag abend um 22 Uhr hier ankamen, hatte es minus 12° und es lag Schnee, und ich freute mich wie ein Kind auf meinen Lauf am nächsten Vormittag - ich liebe diese klirrende, trockene Kälte! Noch dazu war der Himmel strahlend blau und die Sonne schien, als ich loslief, zwar hatte es am Vormittag dann nur noch milde minus acht Grad, aber das war auch ok. So lief ich los, ohne so recht zu wissen, wohin, Charly musste leider arbeiten und konnte micht nicht leiten. Was mich total erstaunt und auch gefreut hat: ich lief die ersten zwei Kilometer in einem für mich "normalen" Tempo, ich hatte den Eindruck, ganz normal und sicher nicht besonders schnell unterwegs zu sein, und war dann hocherfreut, dass ich beide Kilometer jeweils unter sechs Minuten gelaufen war, was für mich eigentlich ein Tempo ist, für das ich mich schon ein bisschen anstrengen muss. Wenn das an dem Tag mein Wohlfühltempo sein sollte, sollte es mir recht sein.
Irgendwann landete ich dann an einem fatalen Scheideweg: rechts von mir war steiler Wald, der Weg war zu Ende, nur noch Bäume und Dickicht gab es, noch dazu sieg es steil an. Dass ich mich da nur verlaufen konnte, war mir sonnenklar - blieb mir also nur, wieder umzukehren. Oder...... links von mir war der Bachtelsee. Und der war zugefroren. Und auf der anderen Seite des Sees konnte ich sehen, dass der Weg da weiterging. Das konnte ich doch zumindest mal probieren - ? Schließlich hatte es gestern nacht noch minus zwölf Grad, und vorhin beim Loslaufen noch minus acht, da ist so ein See doch bestimmt so richtig fest zugefroren? Vorsichtig setzte ich eine Hasenpfote auf das Eis - hält. Vorsichtig kommt die zweite Hasenpfote hinzu. Hält immer noch, und macht keinen Mucks. Das Eis ist richtig dick, ich fühle es. Vorsichtig mache ich ein paar Schritte. Das Eis hält. Ich fühle mich sicher und beschließe, über das Eis auf die andere Seite zu gehen. Gelegentlich höre ich dann allerdings ein ganz kurioses Geräusch. Es hört sich an, als ob das Wasser unter dem Eis mit aller Gewalt an die Oberfläche drängen will, als ob die ganze Wassermasse nach oben schwappt, und es hört sich einfach nur unheimlich an. Aber das Eis hält. Ich habe jetzt aber doch die nötige Ehrfurcht vor meinem Unterfangen und überlege, ob ich nicht doch lieber wieder zurück soll? So ganz alleine hier in den See einbrechen wäre blöd, und verdammt kalt. Aber ich wollte mich doch nur nicht wieder mal im Wald verlaufen, das kann man doch verstehen, oder nicht? Ich setze weiter vorsichtig einen Schritt vor den nächsten und finde, dass das andere Ufer noch verdammt weit weg ist, als es auf einmal KNACK macht und mir das Herz in die Hosentasche rutscht. Knack, ganz eindeutig. Ich bleibe stehen, habe Angst und bete, dass ich nicht gleich von klirrend kaltem Wasser umfangen bin. Vooorsichtig drehe ich mich um. Es geht. Dass ich jetzt wieder kehrt mache, ist völlig klar - wenn das denn überhaupt noch geht. Ich gehe voooorsichtig wieder auf das andere Ufer zu. Es macht wieder knack. Ich habe Angst, mein Herz klopft wie wild und ich gehe ganz behutsam weiter. Aber das Eis hält. Es knackt noch ein bisschen, um mich zu ärgern, aber es hält. Als ich wieder heil am Ufer ankomme, packt mich eine riesengroße Erleichterung. Mensch Hase, du hast sie echt nicht mehr alle, kein Mensch ist hier unterwegs!! Ich freue mich, dass ich meinen Charly gleich wiedersehe und er mich nicht tiefgefroren aus dem Bachtelsee bergen muss.
Die Kilometer bis nach Hause bin ich dann auch allesamt unter sechs Minuten gelaufen, aber das kam von der Angst, die mir noch in den Knochen steckte.

Montag, 24. Dezember 2007

Jahresrückblick 2007 - Jahresvorausblick 2008

Jahresvorausblick - sagt man das? Gibt es dieses Wort? Ich bin mir jetzt ehrlich nicht sicher. Aber vielleicht liegt das daran, dass das ja eigentlich gar nicht wirklich möglich ist, vorauszublicken. Ich kann natürlich erzählen, was ich 2008 läuferisch gerne machen und erreichen würde, aber ob dies dann möglich sein wird, steht in den Sternen und muss wohl einfach so hingenommen werden, wie es kommt.

2007 war läuferisch ein sehr schönes Jahr für mich. Im Juni / Juli hatte ich Ärger mit meinem Sprunggelenk, das war nicht schön, weil es mir das Laufen fast zwei Monate lang vermiest hat. Aber abgesehen davon, und von meiner reinen Paranoia vor Verletzungen, die nicht vorhanden sind, habe ich ein tolles Jahr erlebt. Ich bin im April meinen ersten Marathon gelaufen, mit meinem weltbesten Hasencoach an meiner Seite. Und im Mai meinen zweiten. Und im September meinen dritten. Und im November meinen vierten, mit persönlicher Bestzeit. Ich bin 2007 bisher insgesamt 2315 Kilometer gelaufen und habe jetzt unterbewusst den blöden Ehrgeiz, die 2400 Kilometer vollzumachen, was natürlich Blödsinn ist, da das für diese Woche 85 Kilometer bedeuten würde und ich noch nie so viele Kilometer in einer Woche gelaufen bin. Geruhsame Weihnachten allerseits.

Was möchte ich 2008 gerne machen und schaffen?
Nun, es gibt da drei Marathons, die ich jetzt schon im Auge habe und unheimlich gerne laufen würde, wenn mir nichts dazwischenkommt. Da ist zunächst einmal der Freiburg-Marathon am 6. April, dann der Elsass-Weinberg-Marathon am 21. Juni, und schließlich der König-Ludwig-Marathon am 27. Juli 2008.
Und dann schauen wir mal, was sich im Herbst noch so anbietet, bis dahin ist ja noch so viel Zeit.

Ansonsten habe ich so eine vage Ahnung, dass ich mich schnelligkeitsmäßig noch verbessern könnte. Und auf einmal habe ich Lust, zu testen, was da noch geht. Seit fast acht Jahren laufe ich jetzt regelmäßig, im Februar 2000 habe ich angefangen, und ich bin einfach immer nur schön gemütlich vor mich hingehoppelt, einfach nur wegen der Freude am Laufen, ohne jegliche Zeitambitionen. Nie habe ich gezielt auf einen Wettkampf hintrainiert. Und das war auch immer absolut ok so. Aber jetzt will ich mehr. Die paar Mal, die ich Intervalltraining mit Charly gemacht habe, haben mir richtig Spaß gemacht, weil ich gemerkt habe, dass ich tatsächlich schneller laufen kann, ohne dabei gleich am Limit zu sein. Ich will mir sicher keinen Stress machen, Laufen soll in erster Linie immer Freude und Entspannung für mich bleiben. Trotzdem mag ich mal testen, was man aus den Hasenpfoten noch so herausholen kann. Aber nur auf der Halbmarathon- und 10-km-Distanz, nicht beim Marathon. Marathon gezielt auf Zeit zu laufen will ich mir nicht antun, dazu sind mir diese 42 Kilometer definitiv zu lang. (Wobei sie ja auch schneller vorübergehen, wenn man sie schneller läuft......)
Ich möchte 2008 also zum ersten Mal die 10-Kilometer-Distanz im Wettkampf angehen und schauen, wie schnell ich das schaffe.
Und ich möchte meine Halbmarathon-Bestzeit, die bei 1 Stunde und 58 Minuten liegt, verbessern. 1:55 wäre ein Traum. Schauen wir mal.
Ich freue mich auf das neue Laufjahr, das vor mir liegt.

Aber jetzt wünsche ich euch allen erstmal ein schönes, stressfreies, entspannendes und fröhliches Weihnachtsfest, und rutscht gut rüber.
2008 wird ein schönes Jahr.

Samstag, 8. Dezember 2007

Bestzeit auf nüchternen Magen

Heute früh lag ich so im Bett und hab mir überlegt, wo ich denn hinhoppeln könnte. Allzu viel Zeit wollte ich nicht brauchen, weil ich heute noch einiges vorhatte, ich wollte meine Weihnachtseinkäufe in Dijon erledigen und so.
Dann hab ich ganz spontan beschlossen, das wird heute ein Tempolauf. Mein Hasencoach hat mir nämlich gesagt, ich solle ab jetzt gelegentlich mal Tempoläufe machen, und diese Woche habe ich noch gar keinen gemacht - in der Dunkelheit ist das aber auch schwierig. Also hab ich mir gesagt, läufst du die kleine St. Euphrône-Runde, das sind haargenau 10 km, und die läufst du heute mal wieder schnell.
Ich bin also gebreeezt. Richtig schön gebreezt, es fühlte sich gut schnell an, aber ich war noch nicht am äußersten Limit, auch an den Hügeln nicht. Das letzte Stück die Allee rauf war hart, weil ich da vollen Gegenwind hatte, so richtig voll ins Gesicht. Ich hab die letzten paar Kilometer bewusst nicht mehr auf die Uhr geschaut, ich wollte mich einfach überraschen lassen und schauen, was heute geht. Und als ich dann beim Hasenstall angekommen bin und auf die Uhr geschaut hab, durfte ich feststellen, dass ich die 10 km heute - und zwar die St. Euphrône-Runde, die echt nicht flach ist - in haargenau 53 Minuten gelaufen bin !

Boah, ich hab mich gefreut. Auf nüchternen Magen !! Direkt nach dem Aufstehen, rein in meine rosa Ballettschühchen (es sind nicht wirklich Ballettschühchen, aber ich nenne sie so, weil sie ganz leicht und ganz flach und gar keine Laufschuhe sind), und PB auf 'nen Zehner!!

Wenn ich dann zum ersten Mal in meinem Leben einen offiziellen Zehner-Wettkampf laufen werde - und für nächstes Jahr steht das fest auf dem Programm - dann sollte ich den am besten auch frühmorgens auf nüchternen Magen laufen, da läuft es bei mir eindeutig am besten, das ist wirklich so! Aber dann kann ich leider nicht auf die Begleitung meines Hasencoachs zählen, da dessen Biorhythmus frühmorgens so richtig im Keller ist ;-)
Ich freu mich - da geht noch was!

Jetzt wird regelmäßig Intervall trainiert, und nächstes Jahr werden sämtliche Bestzeiten zerbröselt !! *voll motiviert sei*

Donnerstag, 6. Dezember 2007

Kuaranzanocht

Als ich loslaufe, ist es halb acht. Ich habe mir angewöhnt, nicht mehr unmittelbar nach der Arbeit um halb sechs loszulaufen, sondern zuerst zu Abend zu essen und danach zu laufen. Denn dunkel ist es sowieso, doch um halb acht ist wesentlich weniger Verkehr auf den Straßen. Da sitzen nämlich (fast) alle Franzosen beim Apéritif.
Wie gesagt, es ist dunkel. Letzte Woche ist es mir ganz schön an die Nieren gegangen, immer nur in schwärzester Nacht zu laufen, aber jammern nützt nichts, das Winterhalbjahr hat gerade erst angefangen. Also trete ich vor die Haustür und bin guter Dinge, ich will heute ein bisschen länger unterwegs sein, da es gestern nur 5 km wurden. Es ist sehr mild, es hat über 10°. Zuerst laufe ich hinunter an den Armançon, das ist immer wieder ein wunderschöner Anblick bei Nacht, mit dem Pont Pinard, der angestrahlt wird. Ich muss mal versuchen, davon ein Foto by night zu schießen. Dann geht es die sehr steile Rue du St Lazare wieder nach oben und raus aus Semur, in die finsterste Nacht. Ich begebe mich in Richtung Cernois, denn auf der kleinen Straße, die in dieses 50-Seelen-Dorf führt, ist um diese Uhrzeit so gut wie gar kein Verkehr. Ich habe meinen IPod auf den Ohren und starken Gegenwind im Gesicht. Ich sehe die Straße nur schemenhaft vor mir, so zu laufen, erfordert schon einiges an Konzentration, aber heute macht es mir trotzdem Spaß und ich verkrampfe mich nicht allzusehr, ich vertraue einfach darauf, dass da keine Äste oder sonst irgendwelche Hindernisse im Weg liegen. Als ich mich Cernois nähere, werden die Bäume und das dichte Gebüsch am Wegesrand immer dichter. Da können sich doch wilde Tiere verstecken? Ein paar Wildschweine? Örgs. Nein, mir wird nicht unheimlich, ich bin völlig entspannt, ich laufe oft in finsterster Nacht durch mir mehr oder weniger völlig unbekannte und völlig verlassene Straßen, das macht mir gar nichts aus. Trotzdem beschließe ich, solange ich wegen Bäumen und Sträuchern nicht über den Wegesrand hinausblicken kann, den IPod auszumachen. So würde ich das Wildschwein, das mich angreift, zumindest hören. Erwähnte ich, dass es stockfinster ist? Im Allgäu nennt man so eine Nacht "Kuaranzanocht" - d.h., eine Nacht, die so finster ist wie im Bauch (Ranzen) einer Kuh. Dieser Logik ist nichts entgegenzusetzen. Im übrigen empfehle ich euch den neuesten Blogeintrag von Charly, da könnt ihr mal so richtig was für euer eingerostetes Allgäuerisch tun, Link siehe rechts.
Neben der Straße fließt ein kleines Bächlein. Und in dem macht es auf einmal "PLATSCH", und mir rutscht das Herz in die Hosentasche. Warum denke ich nie vorher daran, wie unheimlich das werden kann, wenn es so stockduster ist? Nun, das war wohl hoffentlich nur ein Frosch, und ich hoppele weiter. Ich bin froh, wenn ich diesen Gruselweg hinter mir lasse. Eigentlich wollte ich bis nach Cernois laufen und dann wieder zurück, aber jetzt, wo ich in Cernois angekommen bin, wo es sogar Straßenlampen gibt, halleluja!!, denke ich gar nicht daran, umzukehren und mich erneut auf den Gruselweg zu begeben. Ich laufe durch Cernois durch und beschließe, Vic de Chassenay anzusteuern und von dort aus direkt zurück nach Semur zu laufen. Das sind ca. 2 km mehr, aber nicht so gruselig.
Nicht so gruselig - das sagt sich leicht, solange ich noch im spärlich beleuchteten Cernois bin, aber als ich es verlasse, ist es auf einmal wieder stockdunkel und eigentlich genauso unheimlich wie vorher. Egal, ich muss da jetzt durch, ich werde schon nicht gefressen werden. Ich renne mitten in eine riesengroße Regenpfütze, klar, wie soll ich die auch sehen, so dunkel wie es ist? Neben dem Weg sehe ich Felder, manchmal sehe ich den Umriss eines Straßenschilds und kriege jedesmal einen Schrecken, weil ich denke, da steht ein böser Mann und will mich erledigen. GRUSEL. Nein, ist nur ein Vorfahrt-Achten-Schild. Auf dem Feld neben mir erkenne ich jetzt umrissartig große, weiße Gestalten. Sie sind weiß und heben sich von der Dunkelheit ab, was ist das nur? Ich versuche, meinen Blick zu schärfen und erkenne auf einmal, was ich da vor mir habe - das sind KÜHE, die mich wiederkäuend anglotzen!! Wäre es just in dem Moment einer Kuh eingefallen, mich anzumuhen, ich wäre vor Schreck tot umgefallen.
Ich erreiche Vic de Chassenay und gelange von dort aus auf die Straße, die direkt zurück nach Semur führt. Irgendwie fühle ich mich jetzt hier wieder sicherer und habe auch das Gefühl, die Straße wieder besser zu erkennen. Also mache ich meinen IPod wieder an. Ich muss über mich selbst grinsen, ich Hasenfuß, ich. Was muss ich auch mitten in der Nacht in die tiefste Pampa rennen? In meinem IPod kommt jetzt "Run, baby, run" von Sheryl Crow, und das mache ich, und zwar schnellstens nach Hause. Als ich daheim ankomme, bin ich 14 Kilometer in 1 Stunde und 25 Minuten gelaufen und wurde wieder einmal nicht gefressen. Jetzt haben wir doch schon wieder gezeigt, dass wir nachts rennen können. Ist bald Frühling?

Sonntag, 2. Dezember 2007

Samstag morgen

Samstag morgen. Ich werde von den Regentropfen, die auf mein Dachfenster trommeln, aufgeweckt. Ich will heute wieder einmal unmittelbar nach dem Aufstehen laufen, einfach nur in die Laufklamotten, eine Tasse heißes Wasser trinken, und los gehts. Ich drehe mich noch ein paarmal im Bett herum und döse vor mich hin, der Regen macht das Bett umso gemütlicher, aber ich rufe mir in Erinnerung, dass ich gerne im Regen laufe und dass ich eigentlich viel zu selten das Vergnügen habe, also auf und los. Gleich als ich die Haustür hinter mir schließe, umschließt mich der Regen, er begrüßt mich und sagt, hallo, schön, dass du da bist, komm, ich begleite dich auf deinem Lauf, und ich freue mich, dass er mir Gesellschaft leistet. Obwohl es erst Samstag morgen um viertel vor neun ist, herrscht schon reger Verkehr, und ich will den Autos entfliehen und mache mich auf den Weg in Richtung Charentois, denn das ist eine Straße, die für Autos gesperrt ist. Nur der Regen und ich dürfen heute auf diesen Weg. Ich bin innerhalb weniger Minuten völlig durchnässt und genieße das Gefühl, eins mit dem Regen und der frischen Luft zu sein. Kalt ist mir nicht. Ich sehe eine Frau, die eine Art Nikolausmütze trägt, nur dass die gelb ist und einen schwarzen Bommel hat. Diese Mütze ist der einzige Farbtupfer an dieser Frau, die mit missmutigem Gesicht dem Regen zu entfliehen versucht, indem sie die nächste Bar ansteuert. Ich will da nicht rein, ich bleibe draußen an der frischen Luft und laufe meine Charentois-Runde, in aller Ruhe, eins mit mir und dem Wetter, entspannt, gleichmäßig atmend. Nur sieben Kilometer sind das, aber es reicht mir, morgen darf ich wieder laufen, vielleicht regnet es dann wieder. Als ich daheim ankomme, bin ich tropfnass bis auf die Haut und freue mich auf meine Dusche, und anschließend auf meinen Tee und mein Müsli. Das Frühstück ist eindeutig meine liebste Mahlzeit des Tages, umso mehr, wenn ich davor schon gelaufen und frisch geduscht bin. Der erste Schluck von meinem Tee ist immer der beste - original english tea bags, mit denen ich mich bei jedem meiner England-Aufenthalte eindecke, damit sie mir ja nie ausgehen, das wäre tragisch, kein anderer Tee kann jemals so lecker sein. Dazu frische Milch, es ist ein Genuss. In mein Müsli schnippele ich mir momentan immer eine frische, saftige Orange, ein paar Kokosflocken darüber, und ebenfalls frische Milch - kann das Wochenende schöner anfangen? Nur mein Charly fehlt mir zu meinem Glück, aber in zehn Tagen habe ich ihn wieder. Dann kann ich ihm wieder seinen Kaffee kochen und ihn mit lieben Küssen wecken, er setzt sich an den Tisch, noch etwas verschlafen, und ich gieße das kochende Wasser in seine Tasse mit dem löslichen Kaffee. Er nimmt es mir auch nie übel, dass ich die Kaffeetasse dann so weit wie möglich von mir wegschiebe, da sich der Kaffeegeruch nicht mit dem subtilen Duft meines englischen Tees verträgt...... ;-)
Ich freu mich auf dich, mein Hase xx

Sonntag, 18. November 2007

Projekt "Mein langsamster Halbmarathon": Beaune 2007

Als ich gegen Mittag in Beaune ankomme, hat es ca. 3° plus und die Sonne scheint wie wild vom strahlend blauen Himmel. Das verspricht herrliches Laufwetter zu werden, und ich entscheide mich für meine Dreiviertelhose - ich bin ja schließlich Charlys Hase, und bei Charly wird die lange Hose erst ab minus 20° herausgezogen, da kann ich doch bei Plusgraden noch keine langen Hosen anziehen. Die Wahl stellt sich als goldrichtig heraus, mir ist beim Laufen angenehm warm, trotz kaltem Gegenwind.
Start ist um 14 Uhr, ich stelle mich ganz hinten auf, habe ich doch den Vorsatz, dass das heute der langsamste aller meiner Halbmarathons werden soll. Viele Fotos will ich schießen, ich halte meinen Fotoapparat fest in der Hand, als mir mit Schrecken einfällt, dass ich etwas ganz Wichtiges im Auto vergessen habe - die Ersatzbatterien. Ich habe absolut keine Ahnung, wie lange die aktuellen Batterien noch halten, und schicke ein Stoßgebet los, dass sie nicht schon nach drei Fotos den Geist aufgeben - das wäre angesichts meines Vorhabens wirklich zu ärgerlich.

Nun, das war nicht der Fall, ich möchte aber dennoch gleich vorausschicken, dass ich von der Ausbeute meiner Fotos trotzdem etwas enttäuscht bin, denn erstens waren die extremen Lichtverhältnisse sehr schwierig, und zweitens war die Streckenführung fast eine komplett andere als die vor drei Jahren. Die Strecke wurde in der Zwischenzeit geändert, da es vor drei Jahren noch ein 22-km-Lauf war, der mittlerweile zu einem richtigen Halbmarathon von 21,1 km verkürzt wurde - da musste eben eine andere Strecke her. Ein "richtiger" Halbmarathon zieht einfach wesentlich mehr Leute an als ein 22-km-Lauf, und das fällt mir in der Tat auf, als ich am Start stehe, es sind fast 3000 Leute anwesend. Unter anderem auch das Team "Escargot 21", escargot heißt Schnecke, wie passend für einen bergigen Lauf im Burgund!



Der Startschuss fällt und wir traben langsam los. Es geht erst ein Stück durch das schöne Beaune.





Das Gedränge ist ziemlich groß, aber richtig eng wird es erst, als wir von der normal breiten Straße in einen wesentlich engeren Weg in die Weinberge einschlagen - Stau. Richtig Stau, es ist so, wie wenn es auf der Autobahn auf einmal einspurig wird, es ist einfach nicht genug Platz für die vielen Läufer, und ich stehe und warte, bis ich wieder laufen darf. Ich bin aber absolut gelassen, schließlich passt das doch hervorragend zu meinem Vorhaben - langsamster HM und so, ihr wisst schon.
Ganz langsam entzerrt es sich dann etwas, aber es bleibt eng.



Schon von hier aus haben wir einen Ausblick auf die weitere Strecke und können uns darauf vorbereiten, dass es hügelig wird.



Ich komme in die erste Ortschaft - eines der renommiertesten Weindörfer der Côte de Beaune:



Hier kommt auch die erste Verpflegungsstelle, und Pommard macht seinem Ruf alle Ehre. Ich muss einfach grinsen, als ich diese "Verpflegung" sehe.



Aber es gibt durchaus auch Wasser, Obst, Trockenobst und Lebkuchen, so wie ich das gewohnt bin. Auch wenn man in der Gegend hier die feste Meinung vertritt, Wasser schade der Gesundheit.
Eine Bemerkung zu den Zuschauern - ich kann es kaum fassen, wie teilnahmslos und abgestumpft die zahlreichen Zuschauer am Wegesrand stehen. Natürlich war die Stimmung beim Marathon im Elsass etwas ganz Besonderes, so etwas Herzliches wie dort habe ich noch nie bei einer Laufveranstaltung erlebt, aber hier um Beaune herum treffe ich wirklich auf den krassesten Gegensatz dazu. Die Zuschauer stehen da und gucken. Und sonst nichts. Keine Anfeuerungen, kein "bravo", kein Klatschen, nur stumme Blicke. Nicht mal ein müdes "allez allez" ist ihnen zu entlocken. Fast möchte ich mich bei ihnen entschuldigen, dass wir hier durch ihre geheiligten Weinberge rennen. Kurios. Umso mehr freue ich mich nun wieder auf den nächsten Elsass-Marathon im Juni!



Nach neun Kilometern schaue ich auf die Uhr und stelle fest, dass ich für die neun Kilometer genau 55 Minuten gebraucht habe, und das trotz zahlreicher Fotos, die ich schon geschossen habe. Tses, so wird das aber nichts mit meinem neuen Langsamrekord. Aber die Zeichen stehen gut, denn jetzt komme ich nach Meursault, wo es viel zu schauen und zu fotografieren gibt.

Ich laufe in den Park von Meursault hinein.



Ein paar Mönche aus Belfort laufen auch mit und lassen sich fotografieren.



Das Eingangstor vom Park.



Noch mehr Bilder vom Park und dem dazugehörigen Schloss:







Bei vielen meiner Fotos ärgern mich die überall parkenden Autos, die einfach immer das ganze Gesamtbild verhunzen *grmpf*:



Eine Band spielt auch im Park. Aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, leider können sie alleine auch nichts gegen die fehlende Stimmung ausrichten. Ich finde sie toll und applaudiere ihnen ordentlich, und ich bleibe eine Weile stehen und höre ihnen zu.



(Die Lichtverhältnisse waren wirklich alles andere als einfach zum Fotografieren, ich bitte dies zu entschuldigen.)

Hier diese nette Hartz-IV-Bruchbude noch einmal von vorne:



Und noch weitere Fotos von Meursault:











Wenn man wirklich will, kann man sich bei diesem Halbmarathon hoffnungslos betrinken:



Als es wieder aus Meursault herausgeht, kommt gerade das Kilometerschild 10, ich schaue auf meine Uhr und freue mich. Na also - geht doch - ich habe für diesen letzten Kilometer über zehn Minuten gebraucht! Ich komme meinem Ziel wieder näher ;-)

Also weiterfotografieren, was das Zeug hält:







Ein Läufer, der mich immer wieder überholt, wenn ich zum Fotografieren stehenbleibe, und an dem ich regelmäßig wieder vorbeiziehe, wenn ich wieder anlaufe, spricht mich an. "Wie machst du das nur? Immer wieder stehenbleiben und wieder anlaufen, das ist doch so anstrengend..." Stimmt, das hätte ich bis vor kurzem auch noch gedacht. Aber es ist echt ok, es macht mir nichts aus.



Und dann passiert das Unvermeidliche. Nach 14 km komme ich in der nächsten Ortschaft an, die eine meiner liebsten ist:



Und ich lese mit Entsetzen auf meinem Bildschirm, "Bitte wechseln Sie die Batterien". Der blöde Fotoapparat hat gut reden. Wie soll ich denn bitteschön die Batterien wechseln, wenn ich keine Ersatzbatterien dabeihabe? Geht doch nicht. Och Mönsch. Ich trauere den Motiven nach, die mir von nun an durch die Lappen gehen, aber es ist nichts zu machen, die Batterien sind leer. Was nun? Was tun, wenn ich nicht mehr fotografieren kann? Ich finde schnell eine Ersatzlösung - ich werde einfach einen Zahn zulegen, jetzt, wo ich nichts mehr anderes zu tun habe!
Gedacht, getan. Ich beschleunige. Da geht noch was, bisher habe ich mich ja nur ausgeruht. Und das Beschleunigen beinhaltet natürlich auch, dass ich jetzt nur noch am Überholen bin. Das macht schon Spaß und motiviert - ich bin ja die ganze Zeit ganz im hinteren Teil gelaufen, und jetzt merke ich, dass ich noch mächtig Luft habe, und ziehe nur so an den anderen Läufern vorbei. Gelegentlich kommt auch ein verwunderter Kommentar, "wo kommt die denn auf einmal her?", und das motiviert mich natürlich noch weiter. Leider bleibt es nicht beim Breezen, denn ab Kilometer 16 kommt sie, die Wand. Jetzt geht es richtig steil nach oben. Richtig ordentlich steil. Ich nehme einen Gang raus und laufe langsamer weiter, bin aber trotzdem weiter am Überholen, weil die meisten hier am Gehen sind. (Ihr seids wohl keine Semurer, was?) Ich bin meinem geliebten Semur richtig dankbar, dass es mich so hügelfest gemacht hat. Ab Kilometer 19 geht es dann wieder bergab, und ich gebe nochmal alles. Jetzt bin ich wirklich gespannt, was das wohl heute für eine Zeit geben mag. Und ich bin wirklich überrascht - als ich durchs Ziel laufe, sagt meine Uhr 2 Stunden, 12 Minuten. War es also doch nichts mit dem langsamsten aller meiner Halbmarathons, denn das war mein erster, 2004 in Freiburg, und da hatte ich eine Zeit von 2:13.
Knapp verfehlt!
Ist nicht schlimm. Ich bin sogar einigermaßen stolz auf diese Zeit. Angesichts des bergigen Profils und der vielen vielen Fotopausen ist das doch gar nicht so schlecht.

Und hier zeige ich euch noch, was jeder Finisher bekommen hat - Überraschung, Überraschung:

Mittwoch, 14. November 2007

Projekt gemütlicher Sightseeing-Halbmarathon

Am kommenden Samstag ist Halbmarathon in den wunderschönen Weinbergen und Weindörfern um Beaune herum. Das war der zweite Halbmarathon, den ich je gelaufen bin, im November 2004. Und ich weiß noch genau, wie hin und weg ich vor drei Jahren von dieser traumhaften, bildschönen Kulisse gewesen bin, durch die mich diese Strecke führte. Es war sehr hügelig, es ging immer bergauf und bergab, und die ganze Strecke war einfach nur eine Augenweide, wohin ich auch blickte. Ich habe es damals sehr bereut, meine Eindrücke nicht mit Fotos festhalten zu können.

Und deswegen liebäugele ich schon seit geraumer Zeit damit, dieses Jahr am 17. November wieder an diesem Halbmarathon teilzunehmen. Ich habe es vom Wetter abhängig gemacht - und wie es aussieht, werden wir am Wochenende sonniges, kaltes Wetter haben, und deswegen habe ich meinen Entschluss gefasst. Ich weiß, mein letzter Marathon ist erst zwei Wochen her, aber mir geht es so gut wie schon lange nicht mehr.
Und deswegen werde ich am Samstag einen gemütlichen, langsamen, regenerierenden Sightseeing-Halbmarathon hoppeln - mit Fotoapparat. Ich werde die Landschaft (und die Verpflegung) mit allen Sinnen genießen, und immer dann stehenbleiben und Fotos schießen, wenn ein Motiv mich dazu einladen wird (und ich glaube, dass das sehr oft der Fall sein wird). Es wird mit Sicherheit der langsamste Halbmarathon werden, den ich je gelaufen bin, und das wird gut so sein, denn er soll regenerativ sein.
Und wenn alles so abläuft, wie ich mir das vorstelle, dann könnt ihr am Sonntag hoffentlich das Ergebnis des Projekts gemütlicher Sightseeing-Halbmarathon hier im Blog sehen.

Hier noch der Link zur Veranstaltung - aber Achtung, die Seite ist sehr häßlich, ganz im Gegensatz zur Strecke.

Samstag, 10. November 2007

Eine extrem schnuckelige Laufveranstaltung - wer ist dabei?

Am Mittwoch war unser schöner Marathonurlaub dann leider wieder zu Ende, ich musste unwiederbringlich zurück ins Büro. Im Laufe des Vormittags ging ich meinen Kollegen in der Personalabteilung besuchen, der auch passionierter Läufer ist, um ihm von meinem letzten Marathon zu erzählen. Die ganze Personalbelegschaft war gerade zur Kaffeepause in seinem Büro versammelt, als ich dazustieß, und so erzählte ich ganz beiläufig, "übrigens, ich bin wieder Marathon gelaufen." Darauf erwiderte mein Kollege, "ja, klar, weiß ich doch.... in Berlin?", und ich, "nö, letzten Sonntag, im Elsass!" - "Du spinnst!" - "Ja, vielleicht, aber es war genial, und eine neue Bestzeit ist dabei auch herausgesprungen, 4:24!" - "Wow, genial! Du spinnst! Super, Glückwunsch, ich freu mich für dich!" Seine Bewunderung und Freude war absolut ehrlich, was ich umso mehr zu schätzen weiß, da er selbst den Marathon in unter drei Stunden läuft. So unterhielten wir uns über den Elsass-Marathon und über Marathon im allgemeinen, bis sich irgendwann die Personalchefin, die die ganze Zeit dabeigestanden war und aufmerksam zugehört hatte, einschaltete und mit den Worten an mich wandte, "verstehe ich das richtig, dass Sie dieses Jahr schon viermal Marathon gelaufen sind? Das wäre doch ein Interview und einen Artikel in unserem monatlichen Magazin wert?" Ich lächelte nur, "hm ja, klar...", pfff, ausgerechnet ich in unserem monatlichen Magazin, gehts noch. Das sagt die doch nur so daher.
Ich hatte die Begebenheit dann auch genauso schnell wieder vergessen, bis ich gestern kurz vor Büroschluss einen Anruf von einer weiteren Kollegin bekam, "du, ich habe einen Auftrag, ich soll dich ganz offiziell für unsere Firmenzeitschrift interviewen, mit Foto... passt es dir am Montag nachmittag?" Mir fiel erstmal der Hörer aus der Hand. Ich war mir wirklich sicher gewesen, dass die Personalchefin das nur so dahingesagt hatte. Öhm. Na gut, erzähle ich halt am Montag ein bisschen was über mein bewegtes läuferisches Jahr 2007.... warum auch nicht ;-)

Und jetzt noch etwas ganz anderes, speziell für Lizzy und natürlich auch für alle anderen, die das interessieren könnte. Am Vorabend des Marathons, als Charly und ich unsere Startnummer abholten, war da auch ein Stand, der für einen anderen Marathon im Elsass, nämlich den Marathon du Vignoble d'Alsace warb.
Alles, was ich bisher über diese Laufveranstaltung gehört und gelesen habe, hat mir extremste Lust gemacht, daran teilzunehmen. Wenn es nur irgendwie geht, werde ich dabeisein, und Charly hoffentlich hoffentlich auch.
Und du, Lizzy?

Datum ist der 21./22. Juni 2008. Es gibt einen Marathon, einen Halbmarathon, einen 10-km-Lauf und mehrere Kinderläufe mit unterschiedlichen Distanzen. Die Strecke führt mitten durch die schönsten Weinberge des Elsass, und nach dem, was ich am Sonntag erlebt habe, vertraue ich darauf, dass auch hier die Zuschauer einfach nur erste Klasse sein werden. Am Abend vorher findet nicht etwa eine Pasta-Party statt, nein, im Elsass heißt das anders - nämlich Spätzle-Party. Für reichliche Animationen an der Strecke ist gesorgt, neun Bands spielen an diversen Stellen und machen Stimmung, und auch um die läuferische Verpflegung muss man sich natürlich keinerlei Sorgen machen, aber was das Beste ist - es gibt nicht nur Wasser und Cola und Tee und Trockenobst und Schokolade und Müsliriegel und Lebkuchen, nein, es gibt auch an 12 Punkten der Strecke ein sogenanntes "ravitaillement gastrovinique", das heißt, die verschiedenen Weinsorten der Gegend können ausgiebig gekostet werden *hicks*. Es handelt sich hier also ganz eindeutig, darauf muss ich insistent hinweisen, um keine Bestzeitenstrecke ;-)
Es gibt wohl auch an jedem Kilometer irgendeinen anderen Oldtimer zu bewundern, vielleicht fährt der einen dann auch ins Ziel, wenn man vor lauter Weinkosten und Zickzackstolpern dem Ziel nicht mehr wirklich näherkommt. Auch Pferde werden, ähnlich wie die Oldtimer, zur Schau geboten. Es gibt also richtig viel zu sehen, zu hören und zu schmecken.
Ich bin ganz hin und weg von der Aussicht auf diesen Marathon und freue mich jetzt schon darauf. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Laufveranstaltung eine ernstzunehmende Alternative zum Médoc-Marathon darstellt, bei dem es ja auch ordentlich Bordeaux-Wein zu degüstieren gibt und der aber schon fast ein bisschen zu überlaufen ist. Der Marathon du Vignoble d'Alsace findet 2008 erst zum zweiten Mal statt und ist sicher noch etwas familiärer - hoffe ich.

Hier ist der Link zu dieser extrem einladenden Veranstaltung, die ganze Seite ist ganz im Sinne des Elsass in einem netten deutsch-französischen Mischmasch geschrieben.

Und hier kann man beim Scrollen über die diversen grünen Stichpunkte in der Liste Näheres über die Animationen an der Strecke erfahren.

Na, wär das nicht wunderschön? Wer von euch ist dabei? Ich, sofern ich das heute schon sagen kann, auf jeden Fall!

Dienstag, 6. November 2007

Ja, ist denn schon wieder Marathon - ?

Am Dienstag, dem 30. Oktober um Punkt 17 Uhr verlasse ich mein Büro mit dem Wissen, dass ich fast eine ganze Woche Urlaub vor mir habe. Ich freue mich. Mein Charly ist bei mir. Und wir wollen ins Elsass fahren, um dort am Sonntag gebührend seinen 40. Geburtstag zu feiern - natürlich mit einem netten Marathönchen als Sahnehäubchen.
(Zu dem ich mich auch angemeldet habe, übrigens. Was wohl keinen wirklich erstaunt.)

Am Freitag fahren wir also los ins elsässische Jura. Noch am selben Abend schauen wir uns das schöne Basel an, und am Samstag ist das, wie ich finde, noch schönere Colmar dran. Ich kannte Colmar zwar schon, bin aber wieder aufs neue restlos begeistert, wie bildschön es ist. Auch Charly ist sehr angetan, und das nicht nur wegen der leckeren Flammkuchen, die es dort gibt. Hier wollen wir wohnen, haben wir beschlossen.







Sonntagmorgen.
Ja, ist denn schon wieder Marathon - ?
Aber erstmal wird mein Charly zum Geburtstag mit all meiner Liebe überschüttet. Die kriegt er zwar jeden Tag, aber zum 40. gibt es dann doch noch mehr davon, ich hab da noch so einiges in Reserve. Wir frühstücken gemütlich, es gibt leckeres Baguette und Brioche mit Marmelade und Nutella, das nenn ich ordentliches Carboloading, und dann fahren wir los nach Ferrette, wo der Start ist. Das Wetter ist mal so eine richtig trübe Suppe. Nebel, kühl, windig, leichter Nieselregen. Super. Ist aber nicht schlimm. Wir laufen ja bloß Marathon.
Wir stehen zusammen am Start, und wir verabschieden uns für die nächsten paar Stündchen, ich wünsche Charly einen wunderschönen Geburtstagslauf. Ich habe nämlich darauf bestanden, dass wir es heute getrennt angehen - Charly soll ja auch mal wieder einen Marathon in seinem eigenen Tempo laufen und nicht immer nur im Hasentempo.
260 Teilnehmer sind dabei, schön übersichtlich ist das. Nach dem Startschuss geht es flott über die Startlinie, und ich habe, anders als in Berlin, keine Angst davor, dass mir jemand in die Hacken läuft oder dass ich totgetreten werde. Ich sehe Charly von dannen ziehen und versuche mein eigenes Tempo zu finden, was aber irgendwie schwierig ist, da es erstmal ordentlich bergab geht. Ich laufe und sehe immer noch Charly vor mir, dank seiner knallroten Jacke behalte ich ihn wunderbar im Blick. Ganz langsam entfernt er sich weiter von mir. Kurz vor dem ersten Kilometerschild packt mich dann so eine unbändige Lust, ihm noch einen motivierenden Klaps auf seinen süßen Po zu geben. Das muss jetzt noch sein, und das brauch ich auch für mich, das wird mir Glück bringen für diesen Marathon. Also lege ich einen ordentlichen Zahn zu, um ihn wieder einzuholen. Na, Hase, ob das so schlau ist, noch vor dem ersten Kilometerschild gleich einen richtigen Sprint hinzulegen? Egal, ich muss zu Charlys Po, das ist jetzt erstmal mein Ziel. Ich passiere das erste Kilometerschild und schaue auf meine Uhr - öhm. Ziemlich haargenau 5 Minuten. Das ist zu schnell!! Aber ich mache ja gleich langsamer. Ich hole Charly ein und haue ihm richtig schön genüßlich auf seinen knackigen Läuferpo. Er fällt fast in Ohnmacht - "was machst denn DU hier ??!" - "Ich musste dir noch einen Glücksklaps geben. Jetzt lauf schön, ich bin dann jetzt auch wieder weg." Und damit lasse ich ihn endgültig ziehen.
Marathon macht Spaß. Das Schöne an diesem Marathon ist, dass er einerseits durch eine sehr schöne Herbstlandschaft führt, und andererseits durch ganze 14 Dörfer. Und bei jedem zusätzlichen Dorf, durch das ich laufe, bin ich immer mehr angetan und werde immer begeisterter - die Elsässer Zuschauer sind bombig. So etwas habe ich noch nie erlebt. In jedem Dorf (und es handelt sich hier um 200-Seelen-Käffer) stehen mehrere Gruppen von Leuten zusammen, jung und alt, alles dabei, und diese Leute geben einfach alles. Da wird absolut jedem einzelnen Läufer applaudiert, es wird gepfiffen, gejubelt, trompetet, die Menschen strahlen eine solche herzliche Begeisterung aus, sie scheinen sich riesig zu freuen, dass sie die Marathonläufer anfeuern dürfen und stören sich nicht im geringsten an dem Nieselregen, der nach wie vor fällt, dass es mir jedesmal ganz warm ums Herz wird und ich immer breiter grinsen muss. Ich bedanke mich bei den Gruppen, sage immer wieder, "merci... vous êtes super... c'est trop gentil... merci!", ich bin wirklich gerührt, und das wiederum freut die Zuschauer. Ganz oft bekomme ich zu hören, wie toll es ist, dass ich den Marathon mit einem Lächeln laufe, aber wie kann man bei solch einer herzlichen Kulisse nicht lächeln? Ich stelle fest, dass ich diese kleinen, familiären Marathons den Riesen-Stadtmarathons eindeutig vorziehe. Was brauche ich 40.000 andere Läufer um mich herum? Das brauche ich nicht. So ist das doch viel schöner.
Ich schaue natürlich regelmäßig bei jedem Kilometerschild auf die Uhr und bemerke, dass ich für einen Marathon - das sind 42,2 Kilometer, Hase! - eigentlich ein bisschen zu schnell unterwegs bin, aber es macht mir keine weiteren Sorgen, da es gut läuft. Aber als ich dann bei Kilometerschild 7 auf die Uhr schaue, werde ich dann doch nervös. Die Uhr sagt 39 Minuten und 55 Sekunden. 7 Kilometer in unter 40 Minuten - das ist schnell. Für meine Verhältnisse ist das sogar dann schnell, wenn ich nur 7 Kilometer laufe und keine 42. In diesem Moment sage ich mir: Hase, entweder läufst du heute eine neue Bestzeit, oder du wirst zum ersten Mal bei einem Marathon so richtig ordentlich einbrechen.
Lassen wir es auf uns zukommen.
Es geht dann genau in dem gleichen Schema weiter: ich genieße die schöne Elsässer Landschaft, in der ich alleine auf weiter Flur bin, und ich genieße in den Dörfern die herzlichen und motivierenden Zuschaueranfeuerungen. Das Publikum bleibt bis zum Schluss allererste Sahne.
Ab Kilometer 25 fangen meine Füße an, wehzutun, aber das kenne ich, ein Marathon ist nun einmal weit, das macht nichts. Ich schließe zu zwei Läufern auf, die mich bei Kilometer 5 überholt hatten. Ich höre, wie der eine dem anderen erklärt, "... du darfst nicht denken, dass nur du Schmerzen hast. Alle haben Schmerzen. Das ist Marathon, und Marathon tut weh. Du bist da nicht alleine. Diejenigen, die den Marathon in unter 3 Stunden finishen, haben Schmerzen, der, der als Letzter ins Ziel kommt, hat Schmerzen, und auch dieser Dame, die uns gerade überholt (er meinte mich), tut alles weh. Oder? Können sie mir das bestätigen? Tut Ihnen auch alles weh?" Ich nicke und sage, "ja, absolut. Klar. Keine Frage." Dazu grinse ich breit. Der Tröster will von mir wissen, ob das mein erster Marathon ist. Ich sage, nein, das ist mein vierter - und mein vierter dieses Jahr. Er zeigt sich beeindruckt und sagt mir, dass es für sie alle beide der erste sei. An dieser Stelle meldet sich zum ersten und zum einzigen Mal der andere Läufer, der glaubt, mit seinen Schmerzen allein zu sein, zu Wort: "Und es ist auch unser letzter, übrigens!!" Dann verfällt er wieder in Schweigen. Der Gesprächigere von den beiden will noch mehr Einzelheiten über meine anderen Marathons erfahren, und als ich erwähne, dass ich am 30. September in Berlin gelaufen bin, sagt er, oh, Berlin. Da habe er schon sehr viel davon gehört, und da müsse die Stimmung doch so unglaublich einmalig sein?, worauf ich erwidere, "nun, ich persönlich finde die Stimmung hier im Elsass viel netter und herzlicher", und das meine ich auch tatsächlich so.
Jetzt merke ich aber, dass mir das Tempo ein bisschen zu gemächlich wird, und ich verabschiede mich von den beiden und laufe vor.
Kilometer 26 bis 30 finde ich immer besonders fies. Man hat schon einen richtig langen Lauf hinter sich, aber eben auch noch ganz schön viel vor sich. Ab Kilometer 30 kann ich mich dann wieder besser motivieren, denn jetzt sind es ja nur noch 12 Kilometer, und 12 Kilometer gehen immer, irgendwie. Eine herrliche Ablenkung bieten auch immer die Verpflegungsstände. Die Versorger sind absolut herzlich und besorgt, "nicht nur trinken, essen Sie auch was, das ist wichtig!", und das lasse ich mir nicht zweimal sagen, denn das Bufett bietet wieder einmal alles. Es gibt nicht nur mein unschätzbar wertvolles Cola, sondern auch warmen Tee, Orangen, Kuchen, Trockenpflaumen, getrocknete Aprikosen, Lebkuchen, Schokolade, Müsliriegel.... ich halte mich aber ncht lange auf, da ich doch noch so ein bisschen die Uhr im Blick habe. Es könnte doch tatsächlich was werden mit der Bestzeit. Meine bisherige Würzburg-Bestzeit von 4:33 könnte ich tatsächlich knacken, und wenn es richtig gut läuft, wird es vielleicht sogar eine Sub-4:30, so eine nette 4:29 wär doch super? Schauma mal. Ich mag mir aber keinen Stress machen. Bei jedem zusätzlichen Kilometer tut es jetzt mehr weh. Ab Kilometer 35 kann ich es nicht anders sagen, mir reichts, es schmerzt, ich hab die Nase voll. Aber umdrehen wär jetzt auch blöd. Bei Kilometer 36 denke ich an Berlin und daran, wie ich geweint habe und nicht mehr konnte und nicht mehr wollte, und ich motiviere mich dadurch, indem ich mir sage, dass es mir doch heute um Klassen besser geht. Irgendwie kämpfe ich mich durch die letzten Kilometer, 38, 39, 40.... ich überhole noch ein paar Läufer, die mir alle "bravo" zurufen, als ich an ihnen vorbeiziehe, was ich auch sehr nett und fair finde. Ich freue mich jetzt nur noch aufs Ziel und darauf, Charly in die Arme zu fallen und ihn wieder ein bisschen vollrotzen zu dürfen - und meine Wimperntusche will ja auch wieder an den Mann gebracht werden. Jetzt riecht es nach Ziel. Nach Kilometer 41 laufe ich an unserem Auto vorbei.
Und wer steht da gerade in Unterhose und zieht sich um? Charly!! Er schaut auf, sieht mich, und sagt nur ganz erstaunt, "Hase - ?!!" und schaut auf die Uhr, so auf die Art, was willst du denn jetzt schon hier?! Tses, dann werd ich wohl keinen Charly im Ziel finden.
Aber auf ihn warten mag ich jetzt auch nicht :-)
Ich breeze die letzten paar hundert Meter nochmal los, was das Zeug hält, die letzten dreihundert Meter sind richtig fies, weil es ordentlich bergab geht, viele gehen hier, weil die Knochen wohl keinen Bergab-Endspurt mehr mitmachen wollen, aber ich will ins Ziel laufen. Das mache ich auch, ich überquere die Ziellinie, und ich schaue auf meine Uhr. Und dann bin ich richtig überwältigt und muss losschluchzen. Ach Charly, wo bist du denn. Ich will diesen Moment doch mit dir teilen.
Meine Uhr sagt 4 Stunden, 24 Minuten!!!
Ich freue mich wahnsinnig. Und das fünf Wochen nach Berlin, wo ich mir sicher war, dass ich die 4:33 von Würzburg nie wieder würde erreichen können. Keinen langen Lauf habe ich seitdem mehr gemacht.
4:24 !!!
Und das bei immerhin 300 Höhenmetern.
Irgendwann kommt dann auch Charly eingetrudelt und ist völlig überwältigt - ja Hase, was machst du denn schon hier? Mit dir habe ich ja noch gar nicht gerechnet? :o)))

Bei Charly wurden es diesmal 3:56. Mit einem Besuch von Herrn Hammermann bei Kilometer 41, auch nicht schlecht, oder? Aber davon wird er selber auch noch erzählen.
Ich hab auch diesmal wieder keine Bekanntschaft mit diesem Herrn gemacht. Muss ich wohl noch ein bisschen schneller laufen, wenn ich auch endlich mal in den Genuss kommen will.
Schauen wir mal, was ich nächstes Jahr so zusammenlaufen könnte.
Denn: das war definitiv mein letzter Marathon für dieses Jahr, versprochen ;-)

Zum Schluss noch eine statistische Zusammenfassung meiner Marathons:

15. April 2007 - Marathon du Charolais - 4:42
13. Mai 2007 - Würzburg-Marathon - 4:33
30. September 2007 - Berlin-Marathon - 4:44
04. November 2007 - Marathon du Jura Alsacien - 4:24

*freu*

Sonntag, 21. Oktober 2007

Ein schönes, kaltes, sonniges, windiges Wochenende

Samstag:
Ich stehe morgens bei klirrendem Frost auf, mache das Fenster zu und freue mich über den blauen Himmel und den sonnigen Tag, der sich da ankündigt. Spontan beschließe ich, einen Ausflug nach Dijon zu machen, um dort einerseits ein bisschen shoppen zu gehen (mein Süßer wird schließlich in zwei Wochen 40 Jahre alt - er sieht aber keinen Tag älter aus als 31!) und um andererseits den Radweg, der da so schön am Canal de Bourgogne entlanglaufen soll, mit meinen Inlinern auszuprobieren.
Als ich um elf Uhr in Dijon ankomme, strahlt die Sonne von einem leuchtend blauen Himmel, aber es ist immer noch so kalt, dass ich beim Schlendern durch die Stadt richtig fröstele und zittere. Also schleunigst in die Läden rein und Geld ausgeben!
Gegen 15 Uhr parke ich mein Auto in Plombières-lès-Dijon direkt neben dem Kanal, schnalle meine Inliner mitsamt der Schutzausrüstung an und rolle auf den Radweg zu. Ich bin sofort begeistert. Dieser Radweg ist der Himmel auf Erden für Inline-Skater. Herrlich glatter Asphalt, immer direkt am Kanal in einer wunderschönen goldgelben Herbstkulisse entlang. Ich skate immer schneller, es macht mir einfach nur Riesenspaß. Es rollt wie von selbst und ich habe den Eindruck, dass ich fliege, ich bin absolut euphorisch, das muss das Inline-Skater's High sein. Das ist so ein schöner Ausgleichsport zum Laufen! Die Bewegung ist eine ähnliche, und doch ist es eine völlig andere Belastung. Ich weiß, dass dieser asphaltierte Teil des Radwegs (leider, leider) irgendwann aufhört, und ich habe mir natürlich in den Kopf gesetzt, bis zu seinem Ende zu kommen. Ich will das Ende mit meinen eigenen Augen sehen, sonst glaube ich es nicht. Und so skate ich knappe 15 Kilometer in eine Richtung, der Weg ist dann auf einmal geschottert, und schweren Herzens drehe ich um und mache mich auf den Rückweg. Und da wird mir mit einem Schlag klar, warum es so leicht und wie von selbst lief. Ich habe auf einmal total starken Gegenwind! Und das ist beim Skaten ja noch fieser als beim Laufen. Da man viel mehr Geschwindigkeit draufhat, fällt natürlich auch der Gegenwind viel mehr ins Gewicht, und ich mühe und kämpfe mich ab und habe das Gefühl, ich komme überhaupt nicht mehr vom Fleck. Puh, das ist Arbeit. So brauche ich für den Rückweg auch gute zehn Minuten länger als für den Hinweg, und als ich wieder beim Auto ankomme, reicht es mir dann aber auch. Knappe 30 Kilometer waren das !
Wann und wo gibt es eigentlich Inliner-Marathons?

Sonntag:
Ich stehe morgens bei klirrendem Frost auf, mache das Fenster zu und freue mich über den blauen Himmel und den sonnigen Tag, der sich da ankündigt. Ich halte mich ja nun wirklich für einen abgehärteten Hasen (die Heizung habe ich bis jetzt im Hasenstall noch nicht angemacht), aber ich gehe dann vielleicht doch etwas zu weit, als ich - bei Frost, überall ist Rauhreif, als ich rausgehe!! - in kurzer Hose zum Bäcker und auf den Markt gehe. Nee, Hase, das war keine Glanzleistung, ich gebe es offen zu, und kalt war mir auch. Bissi blaue Knie habe ich bekommen, und die Leute haben mich auch einigermaßen komisch angeschaut, mit ihren Mützen und Handschuhen. So schnell war ich noch nie vom Markt wieder daheim, und ich hab mich auf dem Heimweg an meinem noch ofenwarmen Baguette gewärmt.
Am Nachmittag gehe ich dann laufen. 20 km habe ich mir vorgenommen, und das auf meiner Lieblingsrunde über Flée und Montigny-sur-Armançon. Lustigerweise ist mein Lauf eine einzige Wiederholung meiner Inliner-Tour von gestern: die ersten 10 Kilometer läuft es super und wie von selbst, mir wird warm und ich genieße den blauen Himmel und den sonnigen Herbstwald auf dem Weg nach Flée. Und als ich dann in Flée die Richtung ändern muss, schlägt mir wieder dieser fiese, eiskalte Gegenwind entgegen, der mir jeden Schritt zur Qual macht und mich einfach nicht vorwärts kommen lässt. Dieser Wind fällt einem immer so dermaßen überhaupt nicht auf, wenn man ihn im Rücken hat, das ist das Gemeine daran!
Im Hasenstall gab es dann eine heiße Dusche (eiskalt abgebraust wird immer erst am Ende der Dusche) und eine herrlich heiße Trostsuppe aus Kartoffeln, Karotten und Lauch.
Aber die Heizung, die hab ich immer noch nicht angemacht :)))

Sonntag, 14. Oktober 2007

Mein 3. und schönster Semur-Halbmarathon

Hach, was ist das Leben schön. Hach, was geht's mir gut. Hach, was bin ich einfach nur happy.

Vor einer Woche war ich mir noch nicht sicher, ob ich ihn mitlaufen würde, den Halbmarathon von Semur, der jedes Jahr im Oktober stattfindet. Schließlich ist der Berlin-Marathon ja gerade mal zwei Wochen her. Aber jeder Tag, der verstreicht und an dem es mir gut geht, lässt mich ein bisschen sicherer werden - klar lauf ich ihn mit, meinen Semur-Halbmarathon. Geht doch nicht, dass ich einen HM vor der Haustüre hab und den nicht mitlaufe. Ich werd ihn halt gemütlich laufen, aber dabeisein will ich. Außerdem habe ich schon zwei Weingläser aus den beiden vergangenen Jahren in meinem Regal stehen, und das von 2007 darf in der Sammlung auf keinen Fall fehlen.
Gestern abend mache ich dann eine einigermaßen erstaunliche Feststellung: ich bin aufgeregt. Häh? Was'n nu los? Vor dem Berlin-Marathon nicht die Spur nervös sein, und vor einem popeligen Halben (mein 8. insgesamt) bin ich aufgeregt? Nun, ich nehme es einfach so hin, wie es ist, vielleicht ist das ja ein gutes Zeichen. Wie auch immer, ich werde ihn gemütlich laufen, einfach nur zur Freude und für mich selbst.
Um zehn ist der Start, um neun Uhr gehe ich zur Startnummernausgabe und stelle fest, dass an dem Tisch, an dem die Startnummern für den 9,4-Kilometer-Lauf ausgegeben werden, eine richtig lange Schlange ist, und dass an dem Tisch für die Halbmarathonis kein Mensch ansteht. So glei. Ich steuere also auf den Monsieur zu und sage ihm meinen Namen. Er sieht mich freundlich an und sagt, "hier gibt es nur die Startnummern für die 21 Kilometer. Die 9,4 Kilometer sind da drüben." Ich bin perplex. "Aber ich laufe doch die 21 Kilometer, deswegen bin ich hier!" - "Sind Sie sicher?" - "Ja, ich bin sicher!!" (Also sowas!! Frechheit! Und das einem Marathon-Hasen!) Er schaut in seiner Liste nach und findet (natürlich) meinen Namen. Ich mache mir über diesen Vorfall keine weiteren Gedanken und mische mich unter die Menge, wo ich meinen Arbeitskollegen treffe, der die 9,4 km heute "ganz gemütlich" in 36-38 Minuten laufen will, wie er sagt. Ja, scho recht. Seine Freundin ist so nett und bewahrt mein langärmeliges Shirt für mich auf, das ich trotz Fröstelns beschließe auszuziehen - auch wenn ich gemütlich laufen werde, so weiß ich doch, dass mir warm werden wird.
Der Start ist für Halbmarathonis und 9,4-km-Läufer gleichzeitig, und so reihe ich mich ein in den Pulk und stelle mich ganz hinten hin, ich sehe fast nur 9,4-Startnummern um mich herum und habe keinerlei Lust, gleich von denen überrannt zu werden. Peng, es geht los, ich laufe, ich laufe inmitten lauter 9,4-Kilometer-Leuten, und es fühlt sich gut an. Öhm, "gemütlich" ist dieses Tempo aber nicht unbedingt, Hase. Na ja, mal sehen, das können wir ja später noch korrigieren. Bei Kilometer 2 ist das erste Kilometerschild, ich schaue auf die Uhr und kriege einen Schreck. Öhm. Moment mal. Hase, so geht das nicht, du bist viel zu schnell. Ich bin die ersten zwei Kilometer in exakt 10 Minuten gelaufen!! Das ist ein Halbmarathon und kein 5-Kilometer-Rennen! Aber ich mache nicht wirklich langsamer. Das können wir ja später immer noch sehen.
Was mich sehr amüsiert: ich laufe diesen Halbmarathon nun bereits zum drittenmal mit, ich kenne jeden Meter, den ich ablaufe, und doch bin ich absolut nicht imstande, mir die Streckenführung für die ersten 10 Kilometer zu merken. Es geht kreuz und quer durch Semur, immer wieder andere Schleifen laufen wir, mir wird ganz schwindlig und ich bin den Ordnern sehr dankbar, dass sie uns sagen, wo wir hinlaufen müssen. Zweimal laufen wir durch die Fußgängerzone, beide Male aus entgegengesetzten Richtungen kommend, und ich sage nur Kopfsteinpflaster. Aufpassen, nicht umknicken mit den Pfoten! Als ich bei meinem Bäcker vorbeikomme, freue ich mich, denn da steht meine Freundin Audrey, mit ihrer süßen kleinen Orane, und sie winken mir beide zu. Sie ruft mir noch nach, "tu as l'air fraîche comme une rose!" (Du siehst frisch wie eine Rose aus!), und schon bin ich weg. Jetzt geht es den Berg hinter unserer Pizzeria hinunter, und ich sage jetzt wirklich ganz insistent HOLPRIGSTES KOPFSTEINPFLASTER - pass auf deine Knöchel auf, Hase, denn dieses Kopfsteinpflaster ist wirklich noch original aus dem Mittelalter, mindestens. Bei km 5 bin ich bei 27 Minuten, ich finde mich eigentlich immer noch viel zu schnell und vergesse auch nicht, dass ich noch 16 Kilometer vor mir habe, aber was soll's. Ich sage auch ganz ohne Schadenfreude, dass es Spaß macht, eine ganze Reihe von 9,4-Läufern zu überholen.... und ich denke an letztes Jahr, wo es mir nicht gut ging, und ich fange an, dieses Rennen richtig zu genießen. Ich nehme mir vor, zumindest meine Zeit vom letzten Jahr zu verbessern, da bin ich 2:10 gelaufen.
Die Zeit von 2005 kommt mir absolut utopisch vor - da habe ich es in 2:03 geschafft, und der Semur-HM ist alles andere als flach, da sind ein paar richtig schöne ordentliche Berge drin.
Also, irgendwas unter 2:10 wäre schön.
Ich freue mich mittlerweile des Lebens, es geht jetzt den Berg an der Stadtmauer entlang hinunter zum Flüsschen Armançon, und aus irgendeinem Lautsprecher schallt in voller Dröhnung die italienische Version von Ti Amo. Schlager sind beim Laufen gar nicht mal das Schlechteste, stelle ich fest, und grinse mir eins. Ich bin eigentlich ständig am Grinsen, bedanke mich bei allen Zuschauern, die mich anfeuern, und bei allen Ordnern, die mir so nett den Weg zeigen. Ich laufe am Armançon entlang und weiß, dass sie jetzt gleich kommt - die berühmt-berüchtigte Ruelle Trémy. Das ist eine richtige Semurer Wand, eine Straße, die so steil ansteigt: / Ich übertreibe nicht. Und wie jedes Jahr befinden sich hier die meisten Zuschauer - die Leute sind im Grunde ihres Herzens einfach Sadisten, oder nicht? Ich überhole einige, die hier am Gehen sind (ihr seids wohl keine Semurer, was?), keuche dann nicht schlecht, als ich oben ankomme, laufe an meinem Hasenstall vorbei, bin überhaupt nicht versucht, einfach heimzugehen, und laufe zum ersten Mal durchs Ziel - die 9,4 km sind schon mal geschafft. Ich muss über ein kleines Mädchen lachen, das mir den Daumen nach oben zeigt und sagt, "allez, plus qu'une petite boucle!" (Los, nur noch eine kleine Runde!) Na die wird es wissen! Mein Arbeitskollege ist natürlich schon lange da und feuert mich an, und ich sage zu ihm, "ich bin viel zu schnell, ich kann das Tempo auf keinen Fall halten." Er sagt nur, red nicht, lauf, na gut, und dann passiere ich die 10-km-Marke. Ich schaue auf die Uhr - 57 Minuten. Spätestens jetzt wird mir klar, dass das heute mit dem "gemütlichen HM" wohl nicht wirklich hinhaut. Und nun ist das Durchstreifen von Semur beendet, wir laufen aus Semur raus, auf die altbekannte St-Euphrône-Runde, die ich auch blind laufen könnte, so gut kenne ich sie. Zuerst geht es in Richtung Lac de Pont, und hier ist der nächste Berg. Es geht fast einen Kilometer lang steil bergauf, und ich überhole zwei Läufer (ihr seids wohl keine Semurer, was?). Jetzt haben wir Gegenwind, aber richtig. Oben an der Kuppe nutze ich eiskalt einen Läufer aus, der direkt vor mir in meinem Tempo läuft und mir bergab wunderbar Windschatten spendet. Als wir unten ankommen und der Wind weniger wird, überhole ich ihn und bedanke mich für seine Hilfe. Böse - aber er lächelt mich an und sagt, kein Problem. Jetzt geht es nach links weg in Richtung Pont-et-Massène, und es geht wieder steil bergauf. Ich ermutige mich selbst, indem ich mir sage, dass mir das nichts ausmacht, weil ich das doch alles kenne. Und das hilft wirklich. Es läuft einfach. Ich laufe durch St. Euphrône, schaue bei km 15 wieder auf die Uhr - 1 Stunde 27. Ich freue mich, ich laufe wunderbar regelmäßig und nehme mir einfach vor, so weiterzulaufen. Und es geht. Bei Kilometer 17 fällt mir auf einmal auf, dass ich schon seit Beginn des Laufes das wunderschöne Lied "9 million bicycles" von Katie Melua im Kopf habe, und ich freue mich darüber, denn das ist Charlys und mein Lied, ein traumhaftes Liebeslied, und es entschädigt mich ein bisschen für die Tatsache, dass Charly auch beim 3. HM in Semur leider wieder nicht dabeisein konnte. Kilometer 18 ist in Villenotte, und ich nähere mich unaufhaltsam meiner geliebt-gehassten Allee, die mir auch heute wieder 269 Kilometer lang scheinen wird, mindestens, ich weiß es. Langsam fängt es an, wehzutun. Meine rechte Fußsohle brennt, und ich weiß, dass ich da ein paar ganz wunderbare Blasen finden werde. Wär ich doch gemütlich gelaufen. Oder? Nö, so ist es auch nicht schlecht. Leider kriege ich auf der Allee keine Endbeschleunigung hin, aber ich schaffe es, mein Tempo zu halten. Los, Hase, noch zwei Kilometer, lass nicht nach, ja, jetzt tut es weh, aber es ist gleich vorbei. Oh Mann, wie ich den letzten Kilometer eines HMs immer hasse - es tut einfach immer weh, hallo Kotzgrenze, NIE werde ich einen Marathon auf Zeit laufen, das schwöre ich mir in diesem Moment, und dann laufe ich durchs Ziel und schaue auf meine Uhr und könnte jodeln vor Freude.
Meine Uhr sagt 2 Stunden, 2 Minuten!! Ich habe meine Semur-Bestzeit von 2:03 tatsächlich verbessert! Das gibt mir einen solchen Kick, 2:02 bei diesem bergigen Profil ist wirklich nicht ohne, ich möchte hüpfen und freue mich und möchte meinem Charly um den Hals fallen und ihn mit Wimperntusche beschmieren. Ich denke an den Semur-HM vor einem Jahr, wo ich alles andere als gut drauf war und die 2:10 als einen einzigen Kampf empfunden habe, und dann sowas!
Ich freu mich, ich freu mich und ich bin stolz auf mich.

Noch für die Statistik: das war mein 8. Halbmarathon insgesamt, und von diesen acht HMs bin ich nur einen einzigen, nämlich den ersten, nicht im Burgund gelaufen - ich bin wohl halbmarathonmäßig eindeutig etwas burgundlastig.

Meine allgemeine HM-Bestzeit (also nicht aus Semur, sondern auf flacher Strecke) liegt bei 1 Stunde, 58 Minuten.
Aber da geht doch bestimmt auch noch was runter, oder? ;-)

Und das hier ist für Charly:
Mein Schatz, eines habe ich mir heute ganz fest geschworen. Nächstes Jahr - egal wo wir dann sind oder was auch immer dann ist - laufen wir den Semur-HM zusammen. Da nimmst du dir frei, egal wie. Am besten trägst du das gleich morgen ein in den Urlaubsplan. Das kann einfach nicht sein, dass du den nie mitläufst. Das ist nämlich der schönste aller Halbmarathons. OK?
There are six billion people in the world, more or less - but you're the one I love the most of all.

Sonntag, 7. Oktober 2007

Wieder positiv

Und schon ist er wieder vorbei, der Urlaub. Wie schnell doch zwei Wochen vergehen können - ? Es ist erstaunlich. Nun bin ich wieder alleine in meinem französischen Hasenstall und muss wohl morgen wieder arbeiten - eh bien, c'est la vie.

Ich habe es tatsächlich durchgehalten, wie angekündigt, nach dem Marathon eine ganze Woche Laufpause zu machen. Und ich bin davon überzeugt, dass das dem Körper wirklich richtig guttut. Auch wenn man sich eigentlich schon nach zwei Tagen wieder laufbereit fühlt - ich bin mir sicher, diese ganze Woche freiwillige Regeneration hat mir sehr gutgetan. Meine Achillessehne habe ich schon seit Dienstag gar nicht mehr gespürt, und auch bei meinem heutigen Lauf hat sie sich nicht bemerkbar gemacht, was für mich so rein mental ein sehr beruhigendes Gefühl ist. Denn ich weiß jetzt, dass sie einfach mal wehtun kann, und das durchaus auch sehr heftig, und dass das dann genauso schnell wieder verschwinden kann, wie es gekommen ist. Wenn ich meine Achillessehne mal spüre, muss es eben nicht gezwungenermaßen bedeuten, dass ich monatelang daran herumlaborieren werde - das ist eine sehr wichtige und erfreuliche Erfahrung für einen hypochondrischen Hasen wie mich.

Und so hatte ich heute einen ganz wunderschönen, entspannten 10-Kilometer-Lauf bei herrlichstem Sonnenschein. Richtig warm war es. Ich wusste doch, dass der Sommer noch kommt. Und ich bin, wie schon letztes Jahr, mitten in den Semurer Duathlon reingelaufen, der jedes Jahr genau eine Woche vor dem Semurer Halbmarathon stattfindet. Langsam sollte ich es doch wissen - das ist mir jetzt schon zum drittenmal passiert. Ein Ordner rief mir nach, dass ich aber in die falsche Richtung laufe, und ich machte ihm klar, dass ich nicht zum Duathlon gehöre.

Jetzt will ich aber auch noch den wahren Grund aufdecken, warum ich diese ganze Woche Laufpause so brav durchgehalten habe. Das sieht mir nämlich so gar nicht ähnlich. Aber da gibt es etwas ganz Konkretes, was mir dabei sehr geholfen hat.
Ich habe nämlich eine Ersatzdroge gefunden.
Am letzten Donnerstag waren Charly und ich in Coburg und haben dort eine kleine Tour durch den Kaufhof gemacht, shoppen ist nämlich wichtig, wenn man sich erstmal mit einer guten Bratwurst gestärkt hat. Und irgendwie sind uns dort ein paar wunderschöne Inliner in meiner Größe aufgefallen, die von 180 Euro auf 60 Euro reduziert waren. Ich bin ja immer offen für Neues, und so probierte ich sie an und stolperte damit recht tollpatschig durch den Laden. (Kann man mit Rollerblades stolpern ?) Kurz und bündig - ich habe sie gekauft und am nächsten Tag mit Charly eingeweiht, der seine Inliner auch dabeihatte. Ich musste schon über mich grinsen - ich habe noch nie auch nur einen einzigen Gedanken daran verschwendet, mir Rollerblades zu kaufen, und zack, war ich stolze Besitzerin eines ebensolchen Paares. Mei, hat mir das Spaß gemacht. Für eine blutige Anfängerin hab ich mich gar nicht so doof angestellt, finde ich - sonst hätte ich am ersten Tag auch kaum gleich 25 Kilometer zurückgelegt, nicht wahr?

Gestern habe ich auf der Rückfahrt nach Frankreich wie üblich in Freiburg Halt gemacht, und ich musste dort einfach das Inliner's Paradise ausnutzen, das ich als Läuferin schon so gut kennenlernen durfte, habe ich doch dort vor fast acht Jahren meine ersten zaghaften Laufschritte gemacht. Auf der einen Seite der Dreisam ist es nämlich viele Kilometer lang wunderbar glatt asphaltiert, und man kann dort inlinern, was die Beine hergeben. Herrlich war das.

Charly hat einen sehr schönen Bericht über unseren Urlaub geschrieben. Nachzulesen ist er wie üblich hier.

Montag, 1. Oktober 2007

Der Berlin-Marathon 2007

Soll ich in dem düsteren Zustand, ich dem ich mich gerade befinde, wirklich einen Bericht über den Berlin-Marathon schreiben, auf den ich mich schon seit Monaten so sehr gefreut habe? Oder sollte ich lieber warten, bis ich wieder etwas positiver drauf bin, da er sonst wirklich nur trübe rüberkommen könnte? Aber sollte er nicht auch einfach ehrlich sein, mein Bericht, und wer sagt denn, dass ein Marathon-Bericht immer nur von himmelhochjauchzender Stimmung zeugen muss?

Ich nehme die Fakten gleich mal vorweg - ich habe ihn geschafft, meinen dritten Marathon dieses Jahr und meinen dritten Marathon überhaupt, in meiner persönlich schlechtesten Zeit zwar, aber ich bin ihn durchgelaufen, und das war schwer.

Er war hart, der Berlin-Marathon, er war schwer, und er hat wehgetan, und ich habe endlich wieder die nötige Demut und Hochachtung vor diesen 42,2 Kilometern.

Ich denke jetzt mit Staunen an meine beiden ersten Marathons, vor allem an den zweiten in Würzburg, den ich nur vier Wochen nach meinem ersten mit einer absoluten Leichtigkeit und völlig schmerz- und leidensfrei in sagenhaften 4:33 gelaufen bin - ich bin mir seit gestern sicher, dass das meine persönliche Marathon-Bestzeit war und ich das nie wieder werde erreichen können.

Berlin ist eine tolle Stadt - ich liebe Berlin. Ich liebe diese Stadt, weil ich jedesmal, wenn ich dort bin, meinen ältesten und besten Freund Markus treffe, weil ich die Berliner so herzlich und nett und hilfsbereit finde, und weil die allgemeine Atmosphäre in dieser Stadt mich einfach immer wieder überwältigt.

Am Abend vor dem Marathon bin ich bester Dinge, ich bin kein bisschen aufgeregt, warum auch, wir laufen doch nur Marathon!

Charly und Markus und ich sind zum Pizzaessen mit unseren Blogger-Freunden Uli und Manu mitsamt Familie verabredet, leider hat es für Manu dann nicht mehr rechtzeitig hingehauen, aber es war riesig nett, Uli und seine total sympathische Frau und seinen süßen Zwockel zu treffen.

In der Nacht schlafe ich gut, warum auch nicht, ich laufe doch nur Marathon.

Dann der Start. Charly steht mit mir ganz hinten im letzten Startblock, und es dauert 25 Minuten ab Startschuss, bis wir über die Linie laufen. Wir denken daran, dass Haile Gebrselassie nun schon einige Kilometer zurückgelegt hat.

Es geht mir gut, warum auch nicht, ich laufe doch nur Marathon.
Diesen Gedanken halte ich aufrecht bis ca. Kilometer 25, und dann wird es schwer. Es läuft nicht mehr gut. Es fängt an, wehzutun. Ich fange an, mich zu fragen, was ich hier eigentlich mache und warum ich meinen Füßen diese Strapaze antue. Ich denke wieder einmal an Würzburg. Da habe ich genau bei Kilometer 25 nämlich meine Eltern getroffen, die mir die Colaflasche gereicht haben, und ich erinnere mich so genau daran, wie meine Mutter mich fragte, "wie weit ist es jetzt noch?", und ich ihr frohgemut antwortete, "ach, jetzt sind es nur noch 17 Kilometer!", und vor allem erinnere ich mich daran, dass ich das zu dem Zeitpunkt auch ganz genau so gemeint habe!! Unvorstellbar. Und jetzt? Ich habe die Schnauze voll. Ich mag nicht mehr. Aber aufgeben kommt nicht in Frage, also kämpfe ich weiter. Charly fragt mich regelmäßig, wie es mir geht, und ich antworte, "es muss ja", oder", "na ja, es geht schlecht, aber es geht schon", oder so in der Art.

Es ist kein Hammermann, der mich überfallen hat - es ist einfach ein ganz allgemeines Mich-Schlecht-Fühlen.

Bei jeder Verpflegungsstelle fällt mir mehr auf, wie wahnsinnig weh mir das Wieder-Anlaufen tut, wenn ich zum Trinken ein paar Schritte gegangen bin - eine völlig neue und sehr unschöne Erfahrung für mich.

Bei Kilometer 36 dann der absolute Tiefpunkt - Charly und ich sind wieder an einer Verpflegungsstelle, wir gehen ein paar Schritte, trinken, und ich denke daran, dass ich jetzt gleich wieder anlaufen muss, dass es wehtun wird, dass ich schlicht und einfach keine Lust und keine Kraft mehr habe, und ich breche in Tränen aus. Und diesmal sind das keine Glückstränen, die mir die Wimperntusche davonlaufen lassen, das ist mal ganz sicher. Ich bin verzweifelt. Ich zweifle an allem. Charly ist total erschrocken, nimmt mich in den Arm und sagt, "Häsle... nur noch sechs Kilometer.... komm, dann gehen wir halt jetzt eine Weile...." Und dafür bin ich ihm dankbar, denn genau das hat meine letzten Kampfgeister noch einmal motiviert, und ich sage trotzig, "Gehen? Nein. Ich will mit dir durchs Brandenburger Tor laufen, nicht gehen", und laufe wieder an. Es tut weh, aber nach ein paar Schritten wird es wieder besser. Und dann kämpfe ich mich durch die letzten 6 Kilometer. Bei Kilometer 38 denke ich an meinen ersten Marathon und dass ich an dieser Stelle schon mitten in meiner sagenhaften Endbeschleunigung drin war, dass ich die letzten Kilometer alle schneller als sechs Minuten gelaufen bin, einen davon sogar in 5:41 - unvorstellbar heute. Es ginge nicht, selbst wenn ich wollte.

Wir laufen dann irgendwann um eine Kurve und sehen es auf einmal vor uns, das Brandenburger Tor. Noch zwei Kilometer bis dahin. Glücklicherweise kommt das Brandenburger Tor relativ schnell näher, es wird immer größer, da ist es, das Ziel, die Zuschauer sitzen auf den Tribünen und feuern uns an, ein paar Meter vor dem Tor nimmt Charly meine Hand und wir laufen gemeinsam durch das Tor und dann noch die letzten 200 Meter bis ins Ziel, ich höre auf zu laufen, fange an zu gehen, denke nur, "Sch**e, mir tut alles weh", lasse mir die Medaille umhängen, und verspüre kein Glücksgefühl. So. Das war jetzt Berlin, auf den ich mich seit Monaten freue, und das soll es gewesen sein? Wohl schon.

Ich würde gerne noch etwas von der tollen Stimmung an der Strecke erzählen, von den Zuschauern, die teilweise wirklich super drauf waren, von den Bands, die eine irre Stimmung gemacht haben, aber irgendwie ist das alles in meiner Erinnerung untergegangen.

Und so erzähle ich euch nur noch, dass noch am selben Abend dann endlich das eingetreten ist, worauf ich ja schon seit vielen Wochen warte: wenige Stunden nach dem Marathon fing meine Achillessehne an zu schmerzen, aber so richtig. Das war keine Einbildung und keine Paranoia, sie tat weh. Richtig blöd weh. Ich werde jetzt eine Woche Laufpause machen, ja, freiwillig, und ich hoffe, dass das dann wieder gut ist. Eine langwierige Achillessehnengeschichte würde mir jetzt gerade noch fehlen.

Das war mein Berlin.....

Ach ja, meine persönliche Schlecht-Zeit: 4:44:55.

Sonntag, 16. September 2007

Meine Achillessehne und ich - ein unschlagbares Team.

Aua.
Mir tut restlos alles weh. Nur nicht die Achillessehne. Und deswegen geht's mir ja soooo gut :o)

Aber von vorne.
Mit sehr gemischten Gefühlen mache ich mich heute auf den Weg zu meinem langen Lauf. Den Grund für diese gemischten Gefühle kann man in meinem Eintrag von gestern nachlesen - es sind nichts weiter als absolut paranoide, hypochondrische Hirngespinste, und deswegen reiße ich mich zusammen und laufe los. Es ist sonnig und schön warm, es hat um die 25°, aber das macht mir nichts aus, ich mag diese Temperatur. Was meinen verkorksten Kopf mitsamt seinen Ängsten angeht, sind die ersten zwei Kilometer die schlimmsten. Ich horche krampfhaft in mich hinein. Na? Tut schon was weh? Nein? Hm. Komisch. Aber jetzt doch, da war doch was? Nein, immer noch nicht? Na gut, dann kann ich ja genausogut versuchen, mich ein kleines bisschen zu entspannen und diesen schönen Sonnenlauf zu genießen, das wäre sicher auch nicht das Verkehrteste. Ich habe mir für heute eine herrliche 31-km-Runde ausgesucht, die auch ein schönes Bonbon fürs mentale Durchhalten ist, denn es handelt sich ausschließlich um Dörfer, durch die ich schon gelaufen bin, ich kenne sie alle acht sehr gut - aber ich habe sie noch nie alle zusammen in einem einzigen Lauf abgehoppelt. Und so denke ich immer nur in Etappen, ich halte mir nie die ganzen 31 Kilometer vor Augen, sondern immer nur die Strecke bis zum nächsten Dorf. Und das klappt sehr gut. Nach sechs Kilometern lande ich in Cernois, und es geht mir prächtig. Wovor hatte ich eigentlich solche Angst? Ich will diesen Lauf jetzt mit allen Sinnen genießen. Das wird aber jetzt erst einmal unterbrochen, da ein Landwirt aus seiner Scheune tritt - ich schätze ihn auf über 80 - und mich freundlich lächelnd und fast zahnlos anspricht. Ich nehme meine Kopfhörer aus den Ohren und frage freundlich, pardon? Und dann ergibt sich der folgende Dialog, der mich köstlich amüsiert hat - ich schreibe ihn mal im Original auf, für die frankophilen Leser, und versuche ihn dann einigermaßen sinngemäß zu übersetzen. Die vielen r's sollen nur den Burgunder Dialekt ausdrücken, die gehören natürlich in Wirklichkeit da so nicht hin - aber die ältere Burgunder Generation rollt die r's so herrlich, ich finde das so herzig.

Version française:
Opi: Jolie demoiselle, bonjourrrr... vous êtes sporrrrtive, hein ?
Hase: Euh... oui :)
Opi: Vous courrrrez ou, comme ça?
Hase: Je viens de Semur, je passe ici par Cernois pour aller à Sauvigny, à Vic, à Pouligny, à Genay, à Milléry, à Charentois, et puis je vais retourner sur Semur....
Opi - völlig von den Socken: Vous allez jusqu'à CHARRRRENTOIS!! Eh ben, eh ben !! C'est forrrrt, ça! Vous êtes vrrrrraiment sporrrrtive, hein ?
Hase: Oui, je crois....
Opi: Et - excusez ma currrriosité - je vois que vous avez des écouteurrrrs, là - c'est quoi?
Hase: J'écoute de la musique avec ça....
Opi: Eh ben, de la musique!! C'est extrrrraordinaire, ça! On n'arrête pas le prrrrrogrrrrès! Et puis, vous êtes bien sporrrrtive, quand même, hein?
Hase: (mittlerweile richtig breit grinsend) Oui.....
Opi schaut mir mittlerweile ganz unverhohlen auf meinen Bauch (ich trage ein bauchfreies Top), ich habe den Eindruck, er würde mir einfach gerne mal in den Bauch kneifen, und ich gehe rein sicherheitshalber zwei Schritte zurück.
Opi: Eh ben, eh ben. C'est bien, ça. Ça me plaît. Vous êtes bien sporrrrtive!
Hase: Oui... j'aime ça. Mais je vais y aller maintenant.... c'était chouette de discuter avec vous.... bon dimanche!
Opi schaut mir immer noch auf den Bauch. Oui, courrrrez bien, jolie demoiselle.... au revoir! Vous êtes bien sporrrrtive!

Deutsche Fassung:
Opi: Hübsches Fräulein, bonjourrrrr ... Sie sind aber so rrrrichtig sporrrrrtlich, was?
Hase: Öhm... ja :)
Opi: Wo rrrrennen Sie denn hin?
Hase: Ich komme aus Semur, jetzt bin ich in Cernois , und dann geht es weiter nach Sauvigny, nach Vic, nach Pouligny, nach Genay, nach Milléry, nach Charentois, und dann wieder zurück nach Semur....
Opi - völlig von den Socken: Sie laufen bis nach CHARRRRENTOIS!! Ja sowas !! Ja sowas! Das ist starrrrk! Sie sind aber rrrrichtig sporrrrtlich, was?
Hase: Ja, ich glaub schon....
Opi: Und - entschuldigen Sie meine Neugier! - ich sehe, dass Sie Kopfhörrrrer haben - wofürrr sind die?
Hase: Damit höre ich Musik....
Opi: Ja sowas! Musik!! Das ist ja wunderbarrrr! Der Forrrtschrrritt geht immer weiter! Und außerdem sind Sie aber rrrrichtig sporrrrtlich, was?
Hase: (mittlerweile richtig breit grinsend) Ja, doch.....
Opi schaut mir mittlerweile ganz unverhohlen auf meinen Bauch in meinem bauchfreien Top, ich habe den Eindruck, er würde mir einfach gerne mal in den Bauch kneifen, und ich gehe rein sicherheitshalber zwei Schritte zurück.
Opi: Na sowas aber auch. Na sowas. Das gefällt mir. Das find ich gut. Sie sind aber rrrrichtig sporrrrrtlich!
Hase: Ja.... ich liebe das Laufen. Jetzt laufe ich aber mal weiter.... war nett, mit Ihnen zu plaudern... einen schönen Sonntag!
Opi schaut mir immer noch auf den Bauch. Ja, rrrrennen Sie schön weiter, hübsches Frrrräulein.... au revoir! Sie sind aber rrrrichtig sporrrrlich!

Die 2 Kilometer von Cernois bis Sauvigny musste ich dann in einem durch nur grinsen - dieser Opi war einfach zum Quietschen. Zum Glück habe ich ihn nicht um ein Glas Wasser gebeten, sonst wäre ich jetzt immer noch dort.
Sauvigny ist ein 5-Häuser-Kaff, in dem es doch tatsächlich ein Café gibt, das auch noch sehr einladend aussieht. Da müssen wir mal einkehren. Aber nicht heute. 2 Kilometer nach Sauvigny komme ich nach Vic de Chassenay - das Dorf mit meinem Lieblingsbrunnen. Ich lege meine erste wohlverdiente Trinkpause ein und laufe frisch gestärkt weiter. Von hier aus sind es jetzt 4 Kilometer bis Pouligny. Es läuft richtig gut. Ich entspanne mich immer mehr. Als ich von Pouligny bis nach Jeux-les-Bard laufe, muss ich daran denken, als ich hier vor ein paar Wochen mit Charly gelaufen bin. Wir hatten uns auf einen 10-km-Lauf aufgemacht, bei dem wir uns leicht verschätzt hatten, weil es sich nämlich in Wirklichkeit um einen 13-km-Lauf gehandelt hatte. Und wir waren auf den letzten drei Kilometern ja so am Ende - weil unser Kopf auf 10 km eingestellt war und nicht auf 13. Daran muss ich jetzt denken, und dass es mir doch heute viel besser geht, obwohl ich jetzt schon über 13 km in den Beinen habe - weil ich heute eben auf 31 Kilometer eingestellt bin, da darf man nach 13 km noch nicht schlappmachen. Ich durchquere Jeux-les-Bard und schlage den Weg in Richtung Genay ein und wage mich zum ersten Mal ein bisschen darüber zu freuen, wie gut es mir doch geht? Jetzt hab ich ja eigentlich schon die Hälfte, und gar nix tut weh? Nicht mal im Kopf, das ist das Erstaunlichste! Die ca. 5 km bis Genay kommen mir dann auf einmal recht lange vor, es zieht sich. Aber mir geht es gut. In Genay muss ich dann meine Mini-Karte zu Rate ziehen, da ich weiß, dass ich hier irgendwo rechts abbiegen muss nach Milléry, ich weiß aber nicht so genau wo. Ziemlich am Anfang des Dorfes, sagt die Karte. Na gut - dann biege ich doch gleich hier rechts ab. Beschildert ist hier aber nichts, und ich habe das ungute Gefühl, auf der falschen Fährte zu sein. Einen größeren Umweg zu laufen wäre jetzt arg blöd. Ich laufe nur sehr zögerlich weiter, hm, was tun?, als ich die Rettung in Form einer auf einen Balkon verbannten Raucherin sehe. Da lobe ich mir doch das neue Anti-Rauch-Gesetz, ohne das ich doch glatt um diese wertvolle Auskunft gekommen wäre! ;-)
Ich laufe auf die Dame zu und frage sie, ob es hier nach Milléry geht. Sie antwortet mir, "ouh là.... non, pas du tout!", was soviel heißt wie "oh je, nein, absolut nicht!" Sie weist mir die richtige Richtung, ich bedanke mich und drehe um. Na gut, ein paar hundert Meter Umweg kann ich verkraften. Beim Weiterlaufen denke ich mir noch, dass ich sie doch eigentlich um ein Glas Wasser hätte bitten können - verpasst. Heiß ist mir mittlerweile auch. Aber spätestens in Milléry gibt es einen Friedhof mit wunderbarem frischem Wasser. In der Ortsmitte habe ich noch einmal Zweifel, Genay ist aber auch ein großes Dorf!, ich frage noch einmal drei Herren nach dem Weg, die gerade den französischen Volkssport Pétanque spielen. Diese Auskunft fiel sehr mürrisch und unfreundlich aus, weiß der Geier warum, pfff, ihr könnt mich mal, und nach Wasser frage ich euch mit Sicherheit auch nicht. Ich laufe die Straße in Richtung Milléry hoch und komme, oh Freude, das wusste ich nicht, am Friedhof von Genay vorbei. Ich halte an und trete ein - jetzt freue ich mich aber aufs Trinken. Ich durchquere den ganzen Friedhof - und finde keinen Wasserhahn. Der Friedhof von Genay hat doch tatsächlich keinen Wasserhahn! Blödes Kaff. Ich muss mich wieder in Bewegung setzen, ohne etwas getrunken zu haben, und jetzt fängt es an, mir schwerzufallen. Meine Beine werden schwer, alles wird schwer, mir reicht es jetzt eigentlich. Ich habe auch schon ca. 23 Kilometer hinter mir. Jetzt muss ich mir selber Mut zusprechen - ist nicht mehr weit bis Milléry, in Milléry darfst du trinken, und von Milléry bis Semur sind es dann nur noch fünf Kilometer, ein Klacks.... nein, es ist kein Klacks, es läuft zäh jetzt, aber es läuft, und die Achillessehne tut überhaupt nicht weh. Ist das nicht das Wichtigste? Ich kämpfe mich bis nach Milléry, lasse mich dort genüsslich neben dem Wasserhahn im Friedhof nieder, das will ich jetzt genießen, ich setze mich hin und lasse mir das frische, klare Wasser über die Hände laufen, schütte mir etwas davon über den Kopf und mache mir die Haare nass, wieso ist es eigentlich Mitte September so heiß?, und ich trinke. Ich trinke und trinke, minutenlang, bis mein Bauch anfängt zu gluckern, dann drehe ich den Wasserhahn zu und laufe weiter. Puh. Noch gut fünf Kilometer, die werde ich doch schaffen? Jetzt fällt mir auch auf, dass es mittlerweile viertel nach zwei ist, und dass ich mein Frühstück um viertel vor neun beendet habe. Seitdem habe ich nichts mehr gegessen, nur noch Wasser getrunken. Da darf man sich nach 26 gelaufenen Kilometern schon mal ein bisschen schlapp fühlen, aber - das ist Training! Gebt mir in Berlin ein Stück Banane nach 26 km, und ich werde fliegen! Die letzten drei Kilometer sind richtig hart, mir reicht es, ich mag nicht mehr, ich kann nicht mehr, mir ist heiß, ich habe Hunger, ich habe Durst, und ich schlappe in einem gefühlten 8-Minuten-Schnitt vor mich hin und verfluche den Berlin-Marathon. Aber gleichzeitig bin ich einfach nur stolz auf meine Achillessehne. Sie tut einfach nicht weh! Kein bisschen, und das, obwohl ich ihr doch nun schon wochenlang einrede, dass sie eigentlich wehtun müsste?! Ist sie nicht lieb? Ich bin gerührt von ihrem hartnäckigen Widerstand und spreche ihr in Gedanken ein dickes Lob aus, wir werden es noch weit zusammen bringen, meine Achillessehne und ich, zumindest werden wir den Berlin-Marathon zusammen durchlaufen - sollte ich diese vermaledeiten 31 Kilometer heute überleben, aber das wäre doch gelacht!
Als ich vor meinem Hasenstall ankomme, bin ich tot - alles tut mir weh - alles außer der Achillessehne, und das ist das Höchste der Gefühle. Ich bin jetzt so froh, dass ich diese 31 km gemacht hab und mich nicht von meiner völlig saublöden Paranoia ins Bockshorn habe lassen.
Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!

Für die Statistik: 31 Kilometer in 3 Stunden und 24 Minuten, 344 Höhenmeter.