Donnerstag, 6. Dezember 2007

Kuaranzanocht

Als ich loslaufe, ist es halb acht. Ich habe mir angewöhnt, nicht mehr unmittelbar nach der Arbeit um halb sechs loszulaufen, sondern zuerst zu Abend zu essen und danach zu laufen. Denn dunkel ist es sowieso, doch um halb acht ist wesentlich weniger Verkehr auf den Straßen. Da sitzen nämlich (fast) alle Franzosen beim Apéritif.
Wie gesagt, es ist dunkel. Letzte Woche ist es mir ganz schön an die Nieren gegangen, immer nur in schwärzester Nacht zu laufen, aber jammern nützt nichts, das Winterhalbjahr hat gerade erst angefangen. Also trete ich vor die Haustür und bin guter Dinge, ich will heute ein bisschen länger unterwegs sein, da es gestern nur 5 km wurden. Es ist sehr mild, es hat über 10°. Zuerst laufe ich hinunter an den Armançon, das ist immer wieder ein wunderschöner Anblick bei Nacht, mit dem Pont Pinard, der angestrahlt wird. Ich muss mal versuchen, davon ein Foto by night zu schießen. Dann geht es die sehr steile Rue du St Lazare wieder nach oben und raus aus Semur, in die finsterste Nacht. Ich begebe mich in Richtung Cernois, denn auf der kleinen Straße, die in dieses 50-Seelen-Dorf führt, ist um diese Uhrzeit so gut wie gar kein Verkehr. Ich habe meinen IPod auf den Ohren und starken Gegenwind im Gesicht. Ich sehe die Straße nur schemenhaft vor mir, so zu laufen, erfordert schon einiges an Konzentration, aber heute macht es mir trotzdem Spaß und ich verkrampfe mich nicht allzusehr, ich vertraue einfach darauf, dass da keine Äste oder sonst irgendwelche Hindernisse im Weg liegen. Als ich mich Cernois nähere, werden die Bäume und das dichte Gebüsch am Wegesrand immer dichter. Da können sich doch wilde Tiere verstecken? Ein paar Wildschweine? Örgs. Nein, mir wird nicht unheimlich, ich bin völlig entspannt, ich laufe oft in finsterster Nacht durch mir mehr oder weniger völlig unbekannte und völlig verlassene Straßen, das macht mir gar nichts aus. Trotzdem beschließe ich, solange ich wegen Bäumen und Sträuchern nicht über den Wegesrand hinausblicken kann, den IPod auszumachen. So würde ich das Wildschwein, das mich angreift, zumindest hören. Erwähnte ich, dass es stockfinster ist? Im Allgäu nennt man so eine Nacht "Kuaranzanocht" - d.h., eine Nacht, die so finster ist wie im Bauch (Ranzen) einer Kuh. Dieser Logik ist nichts entgegenzusetzen. Im übrigen empfehle ich euch den neuesten Blogeintrag von Charly, da könnt ihr mal so richtig was für euer eingerostetes Allgäuerisch tun, Link siehe rechts.
Neben der Straße fließt ein kleines Bächlein. Und in dem macht es auf einmal "PLATSCH", und mir rutscht das Herz in die Hosentasche. Warum denke ich nie vorher daran, wie unheimlich das werden kann, wenn es so stockduster ist? Nun, das war wohl hoffentlich nur ein Frosch, und ich hoppele weiter. Ich bin froh, wenn ich diesen Gruselweg hinter mir lasse. Eigentlich wollte ich bis nach Cernois laufen und dann wieder zurück, aber jetzt, wo ich in Cernois angekommen bin, wo es sogar Straßenlampen gibt, halleluja!!, denke ich gar nicht daran, umzukehren und mich erneut auf den Gruselweg zu begeben. Ich laufe durch Cernois durch und beschließe, Vic de Chassenay anzusteuern und von dort aus direkt zurück nach Semur zu laufen. Das sind ca. 2 km mehr, aber nicht so gruselig.
Nicht so gruselig - das sagt sich leicht, solange ich noch im spärlich beleuchteten Cernois bin, aber als ich es verlasse, ist es auf einmal wieder stockdunkel und eigentlich genauso unheimlich wie vorher. Egal, ich muss da jetzt durch, ich werde schon nicht gefressen werden. Ich renne mitten in eine riesengroße Regenpfütze, klar, wie soll ich die auch sehen, so dunkel wie es ist? Neben dem Weg sehe ich Felder, manchmal sehe ich den Umriss eines Straßenschilds und kriege jedesmal einen Schrecken, weil ich denke, da steht ein böser Mann und will mich erledigen. GRUSEL. Nein, ist nur ein Vorfahrt-Achten-Schild. Auf dem Feld neben mir erkenne ich jetzt umrissartig große, weiße Gestalten. Sie sind weiß und heben sich von der Dunkelheit ab, was ist das nur? Ich versuche, meinen Blick zu schärfen und erkenne auf einmal, was ich da vor mir habe - das sind KÜHE, die mich wiederkäuend anglotzen!! Wäre es just in dem Moment einer Kuh eingefallen, mich anzumuhen, ich wäre vor Schreck tot umgefallen.
Ich erreiche Vic de Chassenay und gelange von dort aus auf die Straße, die direkt zurück nach Semur führt. Irgendwie fühle ich mich jetzt hier wieder sicherer und habe auch das Gefühl, die Straße wieder besser zu erkennen. Also mache ich meinen IPod wieder an. Ich muss über mich selbst grinsen, ich Hasenfuß, ich. Was muss ich auch mitten in der Nacht in die tiefste Pampa rennen? In meinem IPod kommt jetzt "Run, baby, run" von Sheryl Crow, und das mache ich, und zwar schnellstens nach Hause. Als ich daheim ankomme, bin ich 14 Kilometer in 1 Stunde und 25 Minuten gelaufen und wurde wieder einmal nicht gefressen. Jetzt haben wir doch schon wieder gezeigt, dass wir nachts rennen können. Ist bald Frühling?

19 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Puh, Kerstin, das ist ja schon ein Krimi, wenn man es nur liest. Und ich bin sicher nicht die, die dir hier Mut machen könnte. Dazu habe ich viel zuviel Angst um dich. Aber dennoch:
Du warst doch mal ein Werhasi - und damals war's doch sicher auch dunkel!
Spannend geschrieben!!!!!!!
Mama

Anonym hat gesagt…

Puh, soooo was von dunkel. Das wär für mich jetzt nicht sooo entspannend gewesen. Wie kann man da 14 km in 1:25 laufen???
Hui, ganz schön flott in so einer Kuahranzanocht :D
Ja die Dunkelheit, da sieht man dann ganz gern, was man sich vorstellt, aber eigentlich gar nicht sehen will, bis man sieht, was man sieht. Öhm, alles klar? :)
Ja, spannend geschrieben :)))

Hase hat gesagt…

Ja, Mama, ich war mal ein Werhasi.... da war ich auch noch JUNG!! *g*

Ja, mein Hase, öhm, alles klar, ich versteh dich :) xx

Anonym hat gesagt…

Oh weia, Hase, ich bin ja auch nicht so leicht zu erschrecken - aber mitten in der Nacht in einsamen Gegenden würde mir wohl auch sehr gruselig zumute!
Aber wie Deine Mama schon schrieb: Als Werhasi hast du gute Karten - vielleicht haben sich die Kühe mehr gegraust als Du Dich;-)

Hast auch rumgelayoutet! Eben war es noch anders, das gefiel mir noch besser,als das Layout, das ich gerade sehe. Boah, ich war heute wie im Wahn mit dem neuen Blog - erst habe ich Ulis Anweisungen gemäß alles kapputt gemacht (danke Uli:-))) - na, und dann dachte ich mir, jetzt ist eh alles egal, fängste noch mal von vorn an.
Und gelaufen bin ich nicht, bald brauch' ich kein Laufblog mehr;-)

Kerstin hat gesagt…

Uh, bei Dunkelheit laufe ich ja am liebsten nur da wo es Strassenlaternen gibt. Bei dem Platschen hab ich gleich an ein Krokodil gedacht, aber meistens sind das ja auch nur Schildkroeten.

Hase hat gesagt…

Hast auch rumgelayoutet! Eben war es noch anders, das gefiel mir noch besser,als das Layout, das ich gerade sehe.

-> Öhm, Moment mal, Manu, jetzt nochmal ganz langsam zum Mitschreiben, woher soll ich denn wissen, welche Layouts du damit meinst? Welches gefiel dir besser, und welches war das, was du gerade gesehen hast??

@ Kerstin, uaaaah, ja klar, ein Krokodil *g* - das ist hier im Burgund zum Glück SEHR unwahrscheinlich ;-)

Ines hat gesagt…

guten morgen-
na, dir gebührt die krone des mutes!!! so alleine im dunkeln- respekt!!!
gestern fragte ich meine zwerge- 5km oder 3km- aber die kleine blickte nur zum wald und meinte- die kleine runde... seit wir was knacksen haben hören, ist es vorbei mit abends am wald lang laufen- trotz taschenlampe.
nimmst du denn gar nichts mit??? so können dich doch gar keine autofahrer erkennen? eine taschenlampe wäre schon fein.
allzeit gutes dunkellaufen!!!

Anonym hat gesagt…

Näää - für mich wär' das nix. So mitten in der Nacht über die Dörfer laufen. Spaziergänge okay - auch im Dunkeln. Aber am liebsten eher zu zweit ;-)

Kriegst also noch nen riesigen Sack voll Bewunderung hierhergekippt. Für's Verstauen und Einsortieren bist du selber zuständig.

Anonym hat gesagt…

Hase, nirgends ist es in der Nacht so sicher wie im Wald! Wer traut sich dort schon hinein? Ergo, genieße es einfach. Allerdings ohne MP3 Player. ;)

Hase hat gesagt…

@ Liv, nö, Lampen mag ich nicht..... und ich hab auch gar keine. Aber dann sollte ich mich konsequenterweise auch nicht über die Dunkelheit beschweren, tu ich ja auch gar nicht, und so ein bisschen grusel grusel ist gar nicht unangenehm ;-)

@ Lizzy, danke, ich komm schon klar, werde schon ein Plätzchen finden ;-)

@ Marcus, nö, da ist niemand nachts unterwegs. Nur die Wildschweine! Und das, was auch immer es war, was da "platsch" gemacht hat.
Aber - och bitte - keine Moralpredigt wegen MP3-Player...
Ich entscheide mich vor jedem Lauf ganz bewusst, ob ich ihn mitnehme oder nicht. Und je nachdem, wie meine Entscheidung ausfällt, genieße ich dann entweder meine Musik, oder eben die Stille bzw. die Geräusche um mich herum ohne Musik. Aber ich bin schon groß und kann das selber entscheiden... ;-)

Anonym hat gesagt…

Das war keine Moralpredigt. :-) Aber ich finde, wenn ich schon nix sehe, ist es umso wichtiger gut zu hören.

Blumenmond hat gesagt…

Ob das was zu essen ist, fragte ich mich, als ich die Überschrift las. Nun bin ich doch wieder schlauer. Nee, durchs Feld lauf ich nachts nicht - müssen schon Häuser in der Nähe sein, dafür bin ich zu schissig.

Hase hat gesagt…

Ach so. Ja, das sehe ich allerdings genauso wie du, Marcus. Deswegen hab ich die Hasenlöffel an der kritischen Stelle ja auch ausgestöpselt :o)))

Anonym hat gesagt…

Hase, woher soll ich wissen, welches layout das war, was mir am besten gefiel? Das hat so schnell gewechselt, aber was ich am schönsten fand, war wohl was Blaues, wie immer...bluedress, haha;-)
Jetzt geht's eher ins lilane, oder? Muss mal schnell gucken, ob es noch so ist.

Hase hat gesagt…

Hach, ich weiß, ich bin schlimm mit meinem Layout-Gehopse. Ich kann mich einfach nicht definitiv für DAS Hasenlayout entscheiden..... dabei bin ich sonst gar kein so unbeständiger Hase!
Ich werd wohl noch bissi weiterprobieren..... ich beneide euch da alle, ihr habt euch ein Layout ausgesucht und bleibt einfach dabei, und es gehört und passt zu euch.
Aber gut, es gibt schlimmere Probleme ;-)

ultraistgut hat gesagt…

Ehrlich gesagt, ich finde Dich auch mutig.

Ich laufe nie nachts bzw. abends alleine durch die Dunkelheit, dazu habe ich zuviel Fantasie, was mir alles wann und wo passieren könnte, jedes Rascheln würde mir die Freude am Laufen nehmen.

Nee, zu zweit gerne, aber nicht alleine. Pass trotzdem auf Dich auf !!

Anonym hat gesagt…

Nun weißt Du, warum Du so viele Kilometer mehr drauf hast als ich. Wenn ich mich überhaupt zu einem umnachteten Lauf aufmache, dann werden es maximal acht Kilometer, vielleicht mal zehn. Auf keinen Fall 14! Angeberin.
Das Tempo wundert mich allerdings nicht. Wenn man ständig mit Wildschweinen, Kampffröschen oder Krokodilen rechnen muss ...

Hase hat gesagt…

Angeberin? Iiiiich? Pfff.
Nur kein Neid, Uli ;-)

Trudy hat gesagt…

Bewunderung, Bewunderung!
So durch die Nacht zu laufen, das ist wirklich mutig.
Angst vor Wildschweinen darfst du vergessen. Obwohl es solche bei uns in Mengen hat, sie schädigen die Maisfelder und die Jäger würden sich auf die Schultern klopfen, wenn sie welche sehen und erst noch erwischen würden!
Ansonsten, hast ja sicherlich einen Selbstverteidigungskurs hinter dir? Das ist bei uns trendy, deswegen bin ich noch ohne.