Freitag, 3. Oktober 2008

China Teil II

Aufgrund der Nachfrage (ich danke euch!) hier also China, Teil II.

Als wir in Shanghai ankommen, fällt mir als erstes auf, dass eine große Anzahl an Frauen Regenschirme als Sonnenschirme benutzen, das ist absolut üblich und normal. Und das, obwohl es zwar sehr heiß war, die Sonne aber gar nicht wirklich durchkam, wie man auf dem smogverhangenen Foto ja sehr gut sehen konnte. Auch der Mundschutz ist sehr geläufig, den tragen sehr viele Chinesen.

Am zweiten Tag geht es zu unserem ersten Geschäftstreffen. Ich bin sehr gespannt, die Menschen zu treffen, mit denen ich seit ein paar Monaten regelmäßigen E-Mail-Kontakt habe. Wir haben im Lauf der Woche Geschäftstreffen mit drei Firmen, und ich bin jedesmal wieder aufs neue überwältigt von der Freundlichkeit und Herzlichkeit der Chinesen. Vor Antritt der Reise habe ich einen essentiellen Tipp aus einem Forum bekommen, mir wurde gesagt, dass Visitenkarten in China ein ganz wichtiges Statussymbol sind, und dass folgende Vorgehensweise wirklich sehr wichtig ist: wenn dir dein Gegenüber seine Visitenkarte überreicht, musst du sie mit beiden Händen (!!) annehmen und sie eine ganze Weile studieren, bevor du sie wegsteckst. Damit zeigst du, dass du deinen Geschäftspartner respektierst. Und ich habe gleich vom ersten Moment an beobachtet, dass alle Chinesen sich wirklich ganz genau so verhalten, immer. Ebenfalls habe ich beobachtet, dass mein englischer Kollege von dieser Sitte keine Ahnung hatte, die Visitenkarte mit nur einer Hand entgegennahm und sie sofort wegsteckte - örgs. Ich zog ihn dann relativ schnell zur Seite, um ihn aufzuklären. ;-) Das Allerschlimmste, was man machen kann, ist allerdings, die Visitenkarte in die hintere Tasche der Hose zu stecken, damit signaliert man seinem Gegenüber, dass man keinerlei Respekt vor ihm hat, ein absolutes No-Go!!

Die Geschäftstreffen waren sehr ergiebig, mit Ausnahme von einem Punkt: das Englisch der Chinesen ist in der Regel alles andere als gut. Per E-Mail geht es prima, aber beim Sprechen hapert es doch sehr. Die Manager können in der Regel gar kein Englisch und verlassen sich in dieser Hinsicht voll auf ihre jüngeren Mitarbeiter, die als Dolmetscher herhalten müssen. Die Kommunikation war nicht immer einfach. Chinesen sagen z.B. immer "yes", wenn sie eine Frage bestätigen, auch, wenn die Antwort auf die Frage eigentlich "no" heißen müsste. Ein konkretes Beispiel:

Engländer vergewissert sich: "So you don't have any samples in this size?"
Chinese, der bestätigen will, dass er keine Proben in dieser Abmessung hat: "Yes!"
"Yes" bedeutet in diesem Fall aber "doch", und demnach ist die Verwirrung groß. Wie jetzt, gibt es nun Proben oder nicht? You do have samples? - No!! - You don't have samples? - Yes!! .....
Das Englisch der Chinesen wird aber in den kommenden Jahren nur noch besser werden, und dementsprechend noch viel größer wird auch ihr Einfluss in der Welt werden, davon bin ich überzeugt.

Eine Sache, die mich sehr beschäftigt hat, waren die Arbeitsverhältnisse der Angestellten, und ich wurde positiv überrascht. Ich fragte Sally, eine Chinesin, die im Verkauf tätig ist, von wann bis wann sie denn jeden Tag arbeite. Sie erzählte mir, dass sie morgens um acht anfange, eine Stunde Mittagspause habe, und dann habe sie um halb fünf Feierabend. Öhm. Ach so. Das ist ok. Ich war überrascht, damit hatte ich nicht gerechnet. 35-Stunden-Woche in China? Am Wochenende sind zwei ganze Tage frei, wie bei uns auch.
Falls sich jemand über den nicht wirklich chinesisch klingenden Namen Sally wundert: in China ist es üblich, sich zusätzlich zu seinem eigenen Namen noch einen englischen Namen auszusuchen, um es denn Geschäftspartnern leichter zu machen. Und ich kann bestätigen, dass die wirklichen chinesischen Namen wirklich sehr schwer zu merken und auseinanderzuhalten sind.
Über eine weitere Sache, die mich sehr interessiert, erkundigte ich mich bei Amy, nämlich die Ein-Kind-Politik in China. (Mit Amy unterhielt ich mich auf deutsch, denn sie hat sieben Jahre in Dortmund gelebt.) Ich wollte von ihr wissen, was denn passiere, wenn ein Paar in China sich der Ein-Kind-Politik widersetzt und trotzdem einfach ein zweites Kind bekommt. Diese Frage habe ich mir schon sehr lange gestellt. Amy sagte, es gebe da zwei Möglichkeiten: entweder, das Paar ist reich, dann zahlt es "einfach" die Geldstrafe von 10.000 Dollar. Klar.
Wenn das Paar aber soviel Geld nicht hat, dann bekomme das zweite Kind sein ganzes Leben lang keinen Ausweis und darf nicht in die Schule gehen.
Ich war zutiefst erschüttert.

Nch den Geschäftstreffen wurden wir dann von den Chinesen ins Restaurant eingeladen, über das größtenteils leckere und teilweise sehr befremdliche Essen habe ich ja schon berichtet. Eines ist mir noch eingefallen, nachdem Anja in ihrem Blog schreibt, dass sie keine Tiere essen mag, an denen der Kopf noch dran ist: die Hühnchen werden immer ganz genau so, wie sie sind, serviert und lediglich in Stücke geschnitten. Aber alles ist noch dran, Kopf, Augen, Beine, Krallen, Knochen, etc., man muss sich eben irgendwie seinen Weg durch das Essbare bahnen, aber das geht dann schon. ;-)
Der Vollständigkeit halber möchte ich aber noch hinzufügen, dass die meisten Restaurants in Europa wohl keine zwei Tage überleben würden, weil das Gewerbeamt aufgrund der katastrophalen hygienischen Verhältnisse sehr schnell einschreiten würde. Ich möchte nicht allzu tief ins Detail gehen, nur soviel: oft ist schlicht und einfach die "Augen zu und durch" Vorgehensweise am besten. Auch, was die Toiletten betrifft, die einfach nur aus einem Loch im Boden bestehen (in das zu zielen augenscheinlich nicht immer ganz einfach ist, falls ihr versteht, was ich meine ;-) ). Zumindest hat sich in den letzten Jahren insofern einiges getan, dass die Toiletten jetzt Türen haben, vorher war das wohl nicht der Fall: die Frauen hockten da wohl fröhlich nebeneinander beim Erledigen ihres Geschäfts und tauschten Schmink- und Kochtipps aus, oder so. Das kenne ich jetzt aber nur vom Hörensagen, ich habe das wie gesagt nicht mehr erleben dürfen, was ich nicht wirklich bedauere! ;-)

Nach dem letzten Geschäftstreffen wurden wir dann persönlich zum Flughafen chauffiert, damit der Flieger uns zurück nach Shanghai bringen konnte. Und ich war einmal mehr total gerührt über die Fürsorglichkeit unserer chinesischen Gastgeber: Jerry, eine absolut putzige Chinesin, die ich immer nur hätte knuddeln können, eröffnete uns vor der Abfahrt stolz strahlend, sie würde sich jetzt noch um unser Abendessen kümmern. Wir hätten ja die letzten Tage nur chinesische Mahlzeiten bekommen, und unser westliches Essen würde uns doch bestimmt fehlen, und wir möchten bitte nur kurz warten, sie hätten da eine Überraschung für uns. Sagts und verschwindet mit ihrem Kollegen. Eine Viertelstunde später sind sie wieder da, sie können das stolze Strahlen auf ihren Gesichtern kaum unterdrücken und sind voll freudiger Erwartung auf unsere Reaktion, als sie uns vier riesengroße MC-DONALDS-TÜTEN überreichen!! *g*
Es war sooo putzig. Es war einfach nur total zum Knutschen! Ich weiß ja nicht, wann ich zum letzten Mal etwas bei Mc Donalds gegessen habe, es ist wohl schon ein paar Jahre her, aber ich dachte beim Essen immer nur an Jerrys stolz strahlendes Gesicht und habe meinen Big Mäc und meine Pommes alleine aus diesem Grund einfach nur genossen. ;-)

Dann die Fahrt zum Flughafen, zwei Stunden Autobahn, muss ich extra erwähnen, dass es auf der Autobahn natürlich keine langsame und schnelle Spur gibt? Jeder fährt da, wo er gerade will, in dem Tempo, in dem er gerade will, es wird kreuz und quer überholt, links und rechts, gebremst, gehupt, wieder beschleunigt, noch ein bisschen mehr gehupt, Hupen ist ganz arg wichtig!, es ist eine reine Freude. Chaos total. Herrlich.

18 Kommentare:

Charly hat gesagt…

Meine Güte Hase, du schreibst ja, das ist ja der pure Genuß.
Ja unglaublich.
Schöööön.
Und die Gefühlslagen, die du bei deiner Schreibe reinbringst, die ist so authentisch. Jeder wird die Mundwinkel runter ziehen, wenns nicht so schön zugeht, dann wieder strahlen, wenns zu den Mc Donalds Tüten geht und gerührt sein.
Toll
So schöne Berichte. Meiomei.
Schöööööön

Hase hat gesagt…

Ach du mein lieber, lieber Hasenmann. *knuuuutsch* *liebhab*

Anonym hat gesagt…

Danke, Hase, für diesen zweiten sehr ausführlichen und hoch interessanten Bericht.

Am meisten berührt hat mich die Sache mit dem zweiten Kind, nicht nachvollziehbar und grausam, nee, da möchte ich nicht leben.

Auch das mit der Visitenkarte sehr interessant, das man wohl nie vergessen wird.

Danke !

Hase hat gesagt…

Ja, Margitta, das mit dem zweiten Kind ist sehr, sehr grausam.
Die Reichen können sich freikaufen, was sind schon 10.000 Dollar, wenn man Kohle wie Heu hat? Nichts.
Und bei den mittellosen Chinesen wird das Kind bestraft, das doch wirklich am allerwenigsten etwas dafür kann, in die Welt gesetzt worden zu sein. Sehr traurig ist das.

Pienznaeschen hat gesagt…

Schön noch einen Reisebericht zu lesen, lieben Dank. Irgendwie ist dieses Land total spannend-interessant, die (Gast)-Freundlichkeit faszinierend und gleichzeitig schrecken mich die Verhältnisse dermaßen ab. Es ist nicht lange her da gab es eine Reportage über den Handel mit Babys/Kleinkindern die eben das zweite Kind waren, schrecklich, grauenhaft ...

McDonalds ist eben überall ;)

Anonym hat gesagt…

Hallo Hasenkind,
toll geschrieben, ich kann mich Charlies Meinung nur anschließen. Du kannst echt schreiben (und wie wir ja beide wissen, ist das Gefühl zu treffen, gar nicht so einfach).

Mama

Anonym hat gesagt…

Danke für die vergnügliche, lehrreiche und so herzvolle Morgenlektüre :o)

Und das mit dem Zweitkind hat mich jetzt auch schockiert!

Anonym hat gesagt…

Hallo Hase,
willkommen zurück und vielen Dank für die tollen Reiseberichte.
Wirklich interessant, wie es dort so ist, Gastfreundlich scheinen sie ja zu sein, aber wohnen möcht ich nicht wirklich dort.
Die Grausamkeit ist einfach nur schockierend und man ist wieder mal froh, nicht in solchen Verhältnissen leben zu müssen.

amandajanus hat gesagt…

danke, sehr spannend, schreibe bitte alles auf, was dir einfällt, die Details sind echt interessant. Also ich warte dann auf China Teil X

mandy

Hase hat gesagt…

Danke euch! :o)

Soeben hat mir eine Freundin noch eine höchst amüsante Geschichte erzählt: Eine Studienfreundin von ihr ist ein paar Mal alleine durch China gereist und war da auch in kleinen Dörfern, wo es nur ein kollektives Dorf-Klo-Haus gab. Und wenn sie als Langnase da hin musste, war ruckzuck das ganze Dorf dabei, um zu sehen, ob die Langnasen genauso machen wie sie.
Ohne Worte!!..... ;-))

Mandy, einen Teil III von China wird es wohl nicht mehr geben, ich war ja nur eine Woche da und habe mich jetzt so ziemlich all meiner Erinnerungen entleert (zumindest derer, die ich hier öffentlich teilen möchte ;-)).

Kathrin hat gesagt…

Nicht nur für diesen tollen Bericht, auch weil, wie auch bei Anja, bei Dir das Gefühl habe, Dich schon Ewigkeiten zu kennen, darfst Du Dir aus meinem www.sonntagskind-kathrin.blogspot.com - blog den Award kopieren. Er gehört Dir, Du kannst ihn dann "weiterverleihen" ;o)

Anonym hat gesagt…

Die Chinesin in unserem Mutter-Unternehmen heißt "Karen", natürlich nicht wirklich, ihren echten Namen kann kein Mensch aussprechen ;-)

Danke für diesen wirklich interessanten Blick in eine andere Kultur.

EigentlIch hat gesagt…

Danke für den tollen Reisebericht und die Fotos. Auch ohne Charlys Voreingenommenheit muss ich ihm zustimmen ;)

Und danke schon mal im Voraus, für den Fall, dass mir mal ein Chinese eine Visitenkarte überreicht.

Das mit dem zweiten Kind erschüttert mich aber auch.

Blumenmond hat gesagt…

Irgendwie ist mir dieser Bericht untergangen aber Gott sei Dank ja doch noch gesehen.

Hase, ich bin erstaunt, wie gut Du mit den hygienischen Verhältnissen klar kommst. Ich hätte wohl nichts gegessen, ich Weichei!

Anonym hat gesagt…

Das mit den Visitenkarten ist anscheinend echt super wichtig. Ich habe das mal im Fernsehen gesehen, da gab es einen Trainer für Gepflogenheiten die man beachten sollte.

Ich glaube so ein Huhn könnte ich in China nicht essen, wenn da noch alles dran hängt.

Übrigens, an dieses Ja kann man sich gewöhnen ;-)) Meine Freundin antwortet auf verneindende Fragen auch mit Ja. Anfangs war das sehr gewöhnungsbedürftig und ich habe oft gestutzt und wusste nicht, was gemeint war, mittlerweile geht das aber.

Phönix hat gesagt…

Ganz toll, Hase! :) Danke!

Hase hat gesagt…

Aber gerne doch, lieber Phönix! :o)

Sepp hat gesagt…

Wie oft habe ich bei diesem Blogeintrag schmunzeln müssen und dachte nur: "Genau so ist es in China".

Ich bin selber für 3 Monate in China. Am besten fand ich den Satz mit der "Augen zu und durch" Vorgehensweise. Das ist wirklich so. Manche Dinge kann man hier nicht ändern und da heißt es dann "Just do it".

Aber manche Dinge muss man hier echt mal mitgemacht haben, wie zum Beispiel Taxi fahren in Shanghai. Das "Hupen" ist wirklich ganz arg wichtig. Daran erkennen die anderen "Verkehrsteilnehmer" (egal ob Auto, Fahrrad oder Mensch) derjenige überholt oder die Straße wechseln will. Die verständigen sich wirklich mit "Hupen". *g*

Ja es gebe noch viel zu erzählen, aber schaut doch am besten in meinem Blog vorbei: http://shanghai-sepp.blogspot.com/

Liebe Grüße aus Shanghai
Sepp

PS: Bin nur noch 11 Tage in Shanghai, dann geht es zurück nach Deutschland. *freu*