So, ich hab's geschafft.
Ich hab ihn gefinisht, diesen vermaledeiten Halbmarathon, mein 2. in Semur und mein 7. insgesamt, der mir so schwergefallen ist wie vorher noch kein einziger. Ich kann es nicht beschönigen, es war heute eine Qual. Woran das lag ? Keine Ahnung. Ich war einfach nicht gut drauf heute, so banal das auch klingen mag. Ich könnte es ja auf meinen Knöchel schieben und darauf, daß er mir wieder wehgetan hat, aber das war definitiv nicht der Fall, und so werde ich mich auch nicht meines Knöchels oder meiner Achillessehne oder meines Horoskops oder der Tatsache, daß ich gestern den Jackpot im Lotto nicht geknackt habe, bedienen - nein, es lief schlicht und einfach nicht gut.
Aber von Anfang an. Um neun Uhr heute morgen begab ich mich auf den langen Weg von meiner Haustür bis zur Anmeldung - ich schätze mal, das sind so ca. 200 Meter - und stellte mich an die ellenlange Schlange an, die auch dieses Jahr wieder aus 0 Personen bestand. Ich nahm meine Startnummer in Empfang und stellte fest, daß die schon ganz schön lädiert aussah, und Löcher von Sicherheitsnadeln waren auch schon drin. Na, das nenne ich doch mal vorbildliches ökologisches Verhalten der Franzosen. Haben die doch einfach die Startnummern vom letzten Jahr noch einmal wiederverwendet - Respekt ! :)
Um zehn Uhr sollte es losgehen, ich traf noch ein paar Bekannte (ich bin ja inzwischen schon eine alteingesessene Semurerin), u.a. auch Aurélio, einen Arbeitskollegen, mit dem ich auch schon ein paarmal in Montbard laufen war. Seine Bestzeit im Halbmarathon ist übrigens 1:13..... er gehört also nicht zu den ganz Langsamen und ich hatte demnach auch nicht vor, heute schneller als er zu sein. Ich fühlte mich gut (wie das täuschen kann !!) und war frohen Mutes, und das Wetter war ein absoluter Traum. Strahlender Sonnenschein und kein einziges Wölkchen am Himmel. Ich habe es vor dem Start dann noch geschafft, Aurélio zu schocken, als ich ihm verkündete, daß ich mich vor einem HM eigentlich nie einlaufe..... hihi, sein entsetzter Blick brachte mich zum Lachen. Ob es wohl am Einlaufen liegt, daß er 1:13 schafft und ich nicht ? Aurélios Freundin nahm dann netterweise noch meine Jacke in Gewahrsam, denn die würde ich definitiv nicht brauchen, und dann ging es auch schon los. Peng, der Startschuß. Los Charly, laufen wir zusammen, wir zwei. In Gedanken war er bei mir. Ich wußte noch vom letzten Jahr, daß wir erst einige Runden kreuz und quer durch Semur laufen würden, bevor es dann raus in Richtung Lac de Pont auf die St. Euphrône Runde gehen würde. Ich spürte schon nach drei läppischen Kilometern, au wei, Hase, du bist definitiv nicht gut drauf. Ich war so richtig kurzatmig und fühlte mich schlapp - nicht gerade ideale Bedingungen für einen Halbmarathon, oder ? Aber ich lief. Oder besser, ich kämpfte. Nach 6 Kilometern und nach der Ruelle Trémy, die fast senkrecht nach oben geht (knapp) und wo natürlich wieder die meisten Zuschauer standen, war ich ernsthaft am Überlegen, ob ich nicht nach 9.3 km aufhören sollte, denn das war die andere offizielle Distanz, die heute gelaufen wurde, zeitgleich mit dem HM. Ich kämpfte schwer mit mir und hab mir das ehrlich ganz ernsthaft überlegt - das ist mir bei einem HM noch nie passiert. Aber dann passierte ich die Ziellinie für die 9.3 Kilometer und dachte mir, egal jetzt, lauf weiter, irgendwie schaffst du es. Ich lief diesen HM tatsächlich auf Ankommen ! Es ging dann raus aus Semur, den Berg hoch in Richtung See auf unsere altbekannte St. Euphrône Runde, auf der ich jeden Kieselstein auswendig kenne. Ich redete innerlich mit mir selbst und versuchte mich psychologisch aufzubauen - na komm, Hase, die St. Euphrône Runde. Die bist du schon hundertmal gelaufen. Das ist nichts. Das packst du mit links. Ich bitte dich, die St. Euphrône Runde ! Die bist du schon gelaufen bei klirrender Eiseskälte, bei knallender Hitze, im strömenden Regen, bei Nebel, bei Vollmond, morgens um vier, abends um sechs, sonntags, wochentags, mit Charly, ohne Charly, mit Sven, ohne Sven, schnell, langsam..... also wirst du sie doch heute auch irgendwie durchlaufen können ? Courage ! Und während ich mir das so einredete, vergingen auch die Kilometer, irgendwie. Mehr schlecht als recht, aber sie vergingen. Irgendwann kam ich dann an einer Herde Kühe vorbei, von denen ich jede einzelne Kuh mit Vor- und Nachnamen kenne, und ich hatte den Eindruck, als würden sie mich alle recht mitleidig anschauen. Innerlich warf ich ihnen entgegen, "ja ja, pfff, Mädels, ich weiß schon, daß ich heute nicht gerade wie das blühende Leben aussehe, aber mein Gott, es gibt halt mal solche Tage ! Macht euch keine Sorgen um mich, ich komm da schon durch !" Inzwischen war ich bei Kilometer 14 angelangt (beim Semurer HM sind die Kilometer nämlich alle mit Schildern markiert - lest ihr das, ihr Dijoner ? BEIM SEMURER HM SIND ALLE KM MIT SCHILDERN MARKIERT !!!) und schaute auf die Uhr, und da mußte ich dann fast grinsen. Ich passierte den 14. Kilometer nach 1 Stunde und 26 Minuten. In Dijon passierte ich km 15 nach 1 Stunde und 24 Minuten - war ich da wohl ein bißchen besser drauf gewesen ? Kann mir jetzt bitte mal jemand erklären, warum ich bei den HMs, die gnadenlos falsch vermessen sind, super drauf bin ? Und bei dem heute, der auf den Zentimeter genau richtig vermessen ist, so mies ? Ist das nicht gemein ? Aber es ist wie es ist und nicht zu ändern. Bald kam dann auch wieder eine Versorgungsstelle, wo die beiden netten Damen mir ein Glas Wasser reichten, mir bon courage wünschten und mir noch erklärten, daß ich die schlimmsten Berge ja schon hinter mir hätte und daß der Rest nicht mehr so schlimm sei... ich sparte mir meine kostbare Luft und erklärte ihnen nicht, daß ich dies ganz genau wisse, weil ich diese Strecke wie meine Hosentasche kenne, bedankte mich artig und lief weiter. Dann war ich schon bald in St. Euphrône, und weiter gings in Richtung Villenotte, ich passierte km 16 und 17, und bei km 18 war ich dann in Villenotte und bald schon am Anfang unserer Allee, die es nur noch hochzulaufen galt. Eigentlich ein Klacks. Aber wißt ihr, wie lange einem diese knapp 3 km lange Allee vorkommt, wenn man so scheiße drauf ist wie ich und einfach nicht mehr mag und kann ? So lange (und aber noch 24x länger):
Ich hatte jetzt nur noch einen Wunsch, ankommen und vielleicht irgendwie doch unter 2:15 zu bleiben, zum Beschleunigen hatte ich absolut keine Kraft mehr, ich kämpfte mich vorwärts. Ich wurde dann noch von einer Dame überholt, die mindestens 60 war, aber selbst das konnte mich nicht zum Beschleunigen ermutigen. Respekt, dachte ich mir nur.
Nach einer Zeit von 2 Stunden, 10 Minuten und 56 Sekunden lief ich dann durchs Ziel. Geschafft !
Nur mal so zum Vergleich, letztes Jahr habe ich für den Semur-Halbmarathon 2 Stunden und 3 Minuten gebraucht. War ich da wohl ein bißchen besser drauf ?
Und jetzt hat mich gerade Charly angerufen, der heute den München Marathon gelaufen ist, auch um zehn Uhr, gleichzeitig mit mir und an den ich während meiner Pein ganz fest gedacht habe. Er hat ab Kilometer 35 ganz schreckliche Krämpfe in den Waden bekommen und hat trotzdem eine neue persönliche Marathon-Bestzeit aufgestellt - 3:38 !!
Suuuper, Charly, ich bin sehr stolz auf dich :)
Outdoor ? Indoor ?
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Hatte vor einiger Zeit davon berichtet, dass ich mit allen Mitteln versucht
hatte, eine sich selbst als NICHT-OUTDOOR-MENSCH ernannte Frau von den
vielen V...
vor 2 Tagen
12 Kommentare:
Einfach als persöhnliche Erfahrung abhaken und auf zum nächsten HM .Da läuft es mit Sicherheit besser. Ist ja auch im Moment eher keine Hasensaison :-)
Hihi, Martin - wann ist denn Hasensaison ? :o)
Ach Schätzchen, das tut mir aber leid. Dennoch Riesenkompliment für Deine Durchhaltekraft!!!!
Ich bin total stolz auf Dich (und Papa auch)
Mama
Und ich dachte immer, dein perfektes Wetter wäre Regen ;-)
Siehste. Den gab es heute nicht, also konnte es auch nichts werden. Ach, ich weiß doch, wie das ist, Hase. Das nächste Mal läuft das schon wieder viel besser!
hi hoppelhase,
zweiter versuch (und das noch am sonntagabend).
mensch, mädchen, lass ja nicht den kopf hängen. es gibt tage, da steht man neben sich selbst. heute war halt so ein tag. mein gott, das ist gottgegeben. zerbrich dir jetzt ja nicht den kopf, an was es gelegen hat.ich bin wirklich kein laufexperte, aber eins habe ich gelernt. nach jedem (zeiten)tief kommt beim nächsten lauf ein (zeiten)hoch.
also, auf zu neuen ufern, und das bald.
Och mein Schatz, das find ich richtig Schade, dass es für dich nicht gut gelaufen ist :(
Aber wie Helmut schon sagt, Kopf hoch, es wird wieder besser laufen
Küssi
Da gibt´s nen passenden Spruch:
Man kann sich im Training schinden
oder im Wettkampf!
hi Kerstin,
ich lade dich ein zum OSC Bremerhaven-Marathon/HM/10 km am 22.10. B'haven ist relativ regensicher ;)
Ab davon fürchte ich, die Dijoner interssieren sich nicht für deinen blog. ;(
Schöne Zeit
Ach Hasi, du hast dich so tapfer durchgebissen, bis ins Ziel. Ich bin stolz auf dich. Und ich freue mich, daß deine Wehwehchen keinen Mucks von sich gegeben haben. Auch wenn du denen gerne die Schuld gegeben hättest ;-))
Hej, Kerstin -
ein schöner Bericht trotz der ganzen Schwierigkeiten, mit denen du zu kämpfen hattest. Ich hab auch so einen K(r)ampflauf hinter mir und kann jetzt so richtig nachempfinden, wie du gebissen hast! Und deine Zeit war immer noch besser als meine Bestzeit - darum und überhaupt: Glückwunsch :-)
LG aus Belgien,
Babs
Kerstin,
Du hast es bis ins Ziel geschafft, das zählt. Dein Ärger über eine vielleicht aus Deiner Sicht nicht so wünschenswerte Zielzeit, nun ja,
es gibt einfach solche Tage - und es gibt die, an denen es völlig unerwartet total klase läuft. So ein Tag wird kommen und den wünsche ich mir für Dich - da kann Charly dann auch mal wieder tüchtig staunen. Ich bin aber sicher, er ist auch so stolz auf Dich.
Du hast Deinen Charly, Er hat Dich und *zusammen* lauft ihr, zwar an verschiedenen Orten, gemeinsam Wettkämpfe.
Seid glücklich, dass Ihr Euch und eure gemeinsame gute Lebenzeit habt.
Gute Laufzeiten kommen dann *quasi vor lauter Glück* von ganz allein.
Glaube ich. Ihr habt es beide verdient.
Hallo Hasi,
jetzt hast du es bestimmt schon verdaut..nach ein paar Tagen ist der Frust doch gar nicht mehr zu spüren.
Ich kann mich gut daran erinnern, wie ich vor Jahren mal so einen zähen HM gelaufen bin. Alles war bestens, Wetter, Strecke, Motivation - und doch krochen die Kilometer, ich hatte keine Kraft in den Beinen und schließlich war ich 5 Minuten langsamer im Ziel, als bei einem viel schwereren HM in hügeligem Gelände ein paar Wochen zuvor.
Man weiß dann nicht, was Schuld war...schieben wir es also auf die tagesform ;-)
Liebe Grüße
Manu
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