Donnerstag und Freitag waren restlos vollgepackt mit Kundenbesuchen im südlichen Burgund, und gegen Freitag abend machte ich mich dann auf in den Norden der Côte d'Or, Richtung Semur en Auxois. Mein heissgeliebtes kleines mittelalterliches Städtchen, das ich vor neun Monaten verlassen habe, um nach Colmar zu ziehen und seitdem unterbewusst irgendwie immer vermisst habe. Seit ich in Colmar wohne, habe ich diese Rückenschmerzen, die mittlerweile chronisch sind, und irgendwie hat sich in meinem Hinterkopf die Überzeugung festgesetzt, dass in Semur alles viel besser war, da ich da ja noch ordentlich trainieren konnte. Laufen nach Herzenslust.
Und so fieberte ich gespannt, aufgeregt und auch ein bisschen ängstlich meiner Ankunft in Semur entgegen. Je näher ich komme, umso vertrauter wird mir die Landschaft - ich fahre durch Montigny-sur-Armançon, wie oft bin ich durch dieses niedliche Dörfchen gehoppelt, ich schwelge in Erinnerungen.
Dann fahre ich am Ortsschild von Semur vorbei und weiter in Richtung der Wohnung meiner Freunde, bei denen ich das Wochenende verbringen werde, ich komme auch an unserem Ex-Hasenstall vorbei, und ich bin bewegt. Unser Hasenstall! Wie viele glückliche Erinnerungen verbinden Charly und ich damit! Ich parke direkt davor, und als ich aus dem Auto steige, kommt mir der griesgrämige ältere Herr entgegen, der jeden Tag um genau diese Uhrzeit seinen kleinen weissen Hund ausführt und
immer mürrisch schaut. Ich habe es irgendwann aufgegeben, "bonjour" zu ihm zu sagen, da er einfach nie zurückgrüsst, und so grüsse ich ihn auch jetzt nicht und grinse nur. Es hat sich nichts geändert, Semur ist immer noch Semur.
Jetzt kann ich es aber erstmal gar nicht erwarten, meine Freunde zu begrüssen, die ich seit neun Monaten nicht mehr gesehen habe, meine kleine Orane, mein Patenkind, wie wird sie sich verändert haben! Ich komme tatsächlich aus dem Staunen nicht mehr heraus, was sie für ein grosses Mädchen geworden ist. Das letzte Mal war sie noch keine zwei Jahre alt, und jetzt wird sie schon bald drei - und sie wird immer noch süsser. Schaut selbst. Ist sie nicht zum Knutschen?
Orane mit ihrer grossen Schwester Mina:
Orane, ganz die grosse Schwester, mit ihrem kleinen Bruder Arsène:
Sie ist ein absoluter Sonnenschein (und das, obwohl die ganze Familie wirklich heftig von der Grippewelle erwischt worden war), und ich war gleich wieder ganz vernarrt in sie.
Am nächsten Tag bin ich dann mit meinem Fotoapparat durch Semur spaziert und habe Fotos geschossen... ich
kann einfach nicht anders, auch wenn ich diese Motive bestimmt alle schon 100mal fotografiert habe. Ihr kennt das alles schon.
Aber das ist jetzt eben Semur im Januar 2009, das muss man doch festhalten!! ;-)
Ich bin jetzt, im Nachhinein, unendlich froh über dieses Wochenende in Semur, auch wenn ich mir einen ordentlichen Reizhusten mitgebracht habe. (Meine Abwehrkräfte sind anscheinend nicht stark genug, um ein ganzes Wochenende Knuddeln mit grippekranken Kindern zu überstehen.)
Denn mir ist so vieles klargeworden. Semur ist wunderschön. Es wird immer einen ganz speziellen Platz in meinem Herzen haben, ich habe dort eine ganz besondere Zeit meines Lebens verbracht. Aber gleichzeitig ist es eben auch nicht das El Dorado, wo alles perfekt ist. Es ist alles gut so, wie es jetzt ist. Unser Hasenstall hatte seinen ganz eigenen Charme, aber ich möchte jetzt nicht mehr in einer möblierten 1-Zimmer-Wohnung hausen, wo die Dusche mitten in der Küche steht. Ich möchte auch um keinen Preis in meinen alten Job zurück, da mein neuer Job in jeder Hinsicht so viel besser ist. Und ich möchte auch nicht mehr dreieinhalb Stunden von der deutschen Grenze entfernt wohnen, und acht Stunden von Charly. Mein Zuhause ist jetzt in Colmar, und das ist gut so. Hier bin ich jetzt daheim - und nach Semur werde ich immer wieder gerne fahren, aber nun eben als Touristenhase.
Diese ganzen Erkenntnisse waren so unglaublich heilsam für mich!
Ich habe ein wunderschönes Wochenende in Semur verbracht, aber jetzt bin ich froh, wieder zuhause in Colmar zu sein. Den Husten kriege ich auch wieder los, und er wird sich nicht zu einer handfesten Grippe entwickeln, nein nein.
Alles wird gut!