Als ich gegen Mittag in Beaune ankomme, hat es ca. 3° plus und die Sonne scheint wie wild vom strahlend blauen Himmel. Das verspricht herrliches Laufwetter zu werden, und ich entscheide mich für meine Dreiviertelhose - ich bin ja schließlich Charlys Hase, und bei Charly wird die lange Hose erst ab minus 20° herausgezogen, da kann ich doch bei Plusgraden noch keine langen Hosen anziehen. Die Wahl stellt sich als goldrichtig heraus, mir ist beim Laufen angenehm warm, trotz kaltem Gegenwind.
Start ist um 14 Uhr, ich stelle mich ganz hinten auf, habe ich doch den Vorsatz, dass das heute der langsamste aller meiner Halbmarathons werden soll. Viele Fotos will ich schießen, ich halte meinen Fotoapparat fest in der Hand, als mir mit Schrecken einfällt, dass ich etwas ganz Wichtiges im Auto vergessen habe - die Ersatzbatterien. Ich habe absolut keine Ahnung, wie lange die aktuellen Batterien noch halten, und schicke ein Stoßgebet los, dass sie nicht schon nach drei Fotos den Geist aufgeben - das wäre angesichts meines Vorhabens wirklich zu ärgerlich.
Nun, das war nicht der Fall, ich möchte aber dennoch gleich vorausschicken, dass ich von der Ausbeute meiner Fotos trotzdem etwas enttäuscht bin, denn erstens waren die extremen Lichtverhältnisse sehr schwierig, und zweitens war die Streckenführung fast eine komplett andere als die vor drei Jahren. Die Strecke wurde in der Zwischenzeit geändert, da es vor drei Jahren noch ein 22-km-Lauf war, der mittlerweile zu einem richtigen Halbmarathon von 21,1 km verkürzt wurde - da musste eben eine andere Strecke her. Ein "richtiger" Halbmarathon zieht einfach wesentlich mehr Leute an als ein 22-km-Lauf, und das fällt mir in der Tat auf, als ich am Start stehe, es sind fast 3000 Leute anwesend. Unter anderem auch das Team "Escargot 21", escargot heißt Schnecke, wie passend für einen bergigen Lauf im Burgund!
Der Startschuss fällt und wir traben langsam los. Es geht erst ein Stück durch das schöne Beaune.
Das Gedränge ist ziemlich groß, aber richtig eng wird es erst, als wir von der normal breiten Straße in einen wesentlich engeren Weg in die Weinberge einschlagen - Stau. Richtig Stau, es ist so, wie wenn es auf der Autobahn auf einmal einspurig wird, es ist einfach nicht genug Platz für die vielen Läufer, und ich stehe und warte, bis ich wieder laufen darf. Ich bin aber absolut gelassen, schließlich passt das doch hervorragend zu meinem Vorhaben - langsamster HM und so, ihr wisst schon.
Ganz langsam entzerrt es sich dann etwas, aber es bleibt eng.
Schon von hier aus haben wir einen Ausblick auf die weitere Strecke und können uns darauf vorbereiten, dass es hügelig wird.
Ich komme in die erste Ortschaft - eines der renommiertesten Weindörfer der Côte de Beaune:
Hier kommt auch die erste Verpflegungsstelle, und Pommard macht seinem Ruf alle Ehre. Ich muss einfach grinsen, als ich diese "Verpflegung" sehe.
Aber es gibt durchaus auch Wasser, Obst, Trockenobst und Lebkuchen, so wie ich das gewohnt bin. Auch wenn man in der Gegend hier die feste Meinung vertritt, Wasser schade der Gesundheit.
Eine Bemerkung zu den Zuschauern - ich kann es kaum fassen, wie teilnahmslos und abgestumpft die zahlreichen Zuschauer am Wegesrand stehen. Natürlich war die Stimmung beim Marathon im Elsass etwas ganz Besonderes, so etwas Herzliches wie dort habe ich noch nie bei einer Laufveranstaltung erlebt, aber hier um Beaune herum treffe ich wirklich auf den krassesten Gegensatz dazu. Die Zuschauer stehen da und gucken. Und sonst nichts. Keine Anfeuerungen, kein "bravo", kein Klatschen, nur stumme Blicke. Nicht mal ein müdes "allez allez" ist ihnen zu entlocken. Fast möchte ich mich bei ihnen entschuldigen, dass wir hier durch ihre geheiligten Weinberge rennen. Kurios. Umso mehr freue ich mich nun wieder auf den nächsten Elsass-Marathon im Juni!
Nach neun Kilometern schaue ich auf die Uhr und stelle fest, dass ich für die neun Kilometer genau 55 Minuten gebraucht habe, und das trotz zahlreicher Fotos, die ich schon geschossen habe. Tses, so wird das aber nichts mit meinem neuen Langsamrekord. Aber die Zeichen stehen gut, denn jetzt komme ich nach Meursault, wo es viel zu schauen und zu fotografieren gibt.
Ich laufe in den Park von Meursault hinein.
Ein paar Mönche aus Belfort laufen auch mit und lassen sich fotografieren.
Das Eingangstor vom Park.
Noch mehr Bilder vom Park und dem dazugehörigen Schloss:
Bei vielen meiner Fotos ärgern mich die überall parkenden Autos, die einfach immer das ganze Gesamtbild verhunzen *grmpf*:
Eine Band spielt auch im Park. Aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, leider können sie alleine auch nichts gegen die fehlende Stimmung ausrichten. Ich finde sie toll und applaudiere ihnen ordentlich, und ich bleibe eine Weile stehen und höre ihnen zu.
(Die Lichtverhältnisse waren wirklich alles andere als einfach zum Fotografieren, ich bitte dies zu entschuldigen.)
Hier diese nette Hartz-IV-Bruchbude noch einmal von vorne:
Und noch weitere Fotos von Meursault:
Wenn man wirklich will, kann man sich bei diesem Halbmarathon hoffnungslos betrinken:
Als es wieder aus Meursault herausgeht, kommt gerade das Kilometerschild 10, ich schaue auf meine Uhr und freue mich. Na also - geht doch - ich habe für diesen letzten Kilometer über zehn Minuten gebraucht! Ich komme meinem Ziel wieder näher ;-)
Also weiterfotografieren, was das Zeug hält:
Ein Läufer, der mich immer wieder überholt, wenn ich zum Fotografieren stehenbleibe, und an dem ich regelmäßig wieder vorbeiziehe, wenn ich wieder anlaufe, spricht mich an. "Wie machst du das nur? Immer wieder stehenbleiben und wieder anlaufen, das ist doch so anstrengend..." Stimmt, das hätte ich bis vor kurzem auch noch gedacht. Aber es ist echt ok, es macht mir nichts aus.
Und dann passiert das Unvermeidliche. Nach 14 km komme ich in der nächsten Ortschaft an, die eine meiner liebsten ist:
Und ich lese mit Entsetzen auf meinem Bildschirm, "Bitte wechseln Sie die Batterien". Der blöde Fotoapparat hat gut reden. Wie soll ich denn bitteschön die Batterien wechseln, wenn ich keine Ersatzbatterien dabeihabe? Geht doch nicht. Och Mönsch. Ich trauere den Motiven nach, die mir von nun an durch die Lappen gehen, aber es ist nichts zu machen, die Batterien sind leer. Was nun? Was tun, wenn ich nicht mehr fotografieren kann? Ich finde schnell eine Ersatzlösung - ich werde einfach einen Zahn zulegen, jetzt, wo ich nichts mehr anderes zu tun habe!
Gedacht, getan. Ich beschleunige. Da geht noch was, bisher habe ich mich ja nur ausgeruht. Und das Beschleunigen beinhaltet natürlich auch, dass ich jetzt nur noch am Überholen bin. Das macht schon Spaß und motiviert - ich bin ja die ganze Zeit ganz im hinteren Teil gelaufen, und jetzt merke ich, dass ich noch mächtig Luft habe, und ziehe nur so an den anderen Läufern vorbei. Gelegentlich kommt auch ein verwunderter Kommentar, "wo kommt die denn auf einmal her?", und das motiviert mich natürlich noch weiter. Leider bleibt es nicht beim Breezen, denn ab Kilometer 16 kommt sie, die Wand. Jetzt geht es richtig steil nach oben. Richtig ordentlich steil. Ich nehme einen Gang raus und laufe langsamer weiter, bin aber trotzdem weiter am Überholen, weil die meisten hier am Gehen sind. (Ihr seids wohl keine Semurer, was?) Ich bin meinem geliebten Semur richtig dankbar, dass es mich so hügelfest gemacht hat. Ab Kilometer 19 geht es dann wieder bergab, und ich gebe nochmal alles. Jetzt bin ich wirklich gespannt, was das wohl heute für eine Zeit geben mag. Und ich bin wirklich überrascht - als ich durchs Ziel laufe, sagt meine Uhr 2 Stunden, 12 Minuten. War es also doch nichts mit dem langsamsten aller meiner Halbmarathons, denn das war mein erster, 2004 in Freiburg, und da hatte ich eine Zeit von 2:13.
Knapp verfehlt!
Ist nicht schlimm. Ich bin sogar einigermaßen stolz auf diese Zeit. Angesichts des bergigen Profils und der vielen vielen Fotopausen ist das doch gar nicht so schlecht.
Und hier zeige ich euch noch, was jeder Finisher bekommen hat - Überraschung, Überraschung:
Dunkle Tage
-
Kurz noch ein Thema, das ich bereits vor Wochen angeschnitten hatte: Das
Blogsterben: in den 17 Jahren, in denen ich kontinuierlich und sehr gerne
blogge, ...
vor 2 Tagen