Sonntag, 18. November 2007

Projekt "Mein langsamster Halbmarathon": Beaune 2007

Als ich gegen Mittag in Beaune ankomme, hat es ca. 3° plus und die Sonne scheint wie wild vom strahlend blauen Himmel. Das verspricht herrliches Laufwetter zu werden, und ich entscheide mich für meine Dreiviertelhose - ich bin ja schließlich Charlys Hase, und bei Charly wird die lange Hose erst ab minus 20° herausgezogen, da kann ich doch bei Plusgraden noch keine langen Hosen anziehen. Die Wahl stellt sich als goldrichtig heraus, mir ist beim Laufen angenehm warm, trotz kaltem Gegenwind.
Start ist um 14 Uhr, ich stelle mich ganz hinten auf, habe ich doch den Vorsatz, dass das heute der langsamste aller meiner Halbmarathons werden soll. Viele Fotos will ich schießen, ich halte meinen Fotoapparat fest in der Hand, als mir mit Schrecken einfällt, dass ich etwas ganz Wichtiges im Auto vergessen habe - die Ersatzbatterien. Ich habe absolut keine Ahnung, wie lange die aktuellen Batterien noch halten, und schicke ein Stoßgebet los, dass sie nicht schon nach drei Fotos den Geist aufgeben - das wäre angesichts meines Vorhabens wirklich zu ärgerlich.

Nun, das war nicht der Fall, ich möchte aber dennoch gleich vorausschicken, dass ich von der Ausbeute meiner Fotos trotzdem etwas enttäuscht bin, denn erstens waren die extremen Lichtverhältnisse sehr schwierig, und zweitens war die Streckenführung fast eine komplett andere als die vor drei Jahren. Die Strecke wurde in der Zwischenzeit geändert, da es vor drei Jahren noch ein 22-km-Lauf war, der mittlerweile zu einem richtigen Halbmarathon von 21,1 km verkürzt wurde - da musste eben eine andere Strecke her. Ein "richtiger" Halbmarathon zieht einfach wesentlich mehr Leute an als ein 22-km-Lauf, und das fällt mir in der Tat auf, als ich am Start stehe, es sind fast 3000 Leute anwesend. Unter anderem auch das Team "Escargot 21", escargot heißt Schnecke, wie passend für einen bergigen Lauf im Burgund!



Der Startschuss fällt und wir traben langsam los. Es geht erst ein Stück durch das schöne Beaune.





Das Gedränge ist ziemlich groß, aber richtig eng wird es erst, als wir von der normal breiten Straße in einen wesentlich engeren Weg in die Weinberge einschlagen - Stau. Richtig Stau, es ist so, wie wenn es auf der Autobahn auf einmal einspurig wird, es ist einfach nicht genug Platz für die vielen Läufer, und ich stehe und warte, bis ich wieder laufen darf. Ich bin aber absolut gelassen, schließlich passt das doch hervorragend zu meinem Vorhaben - langsamster HM und so, ihr wisst schon.
Ganz langsam entzerrt es sich dann etwas, aber es bleibt eng.



Schon von hier aus haben wir einen Ausblick auf die weitere Strecke und können uns darauf vorbereiten, dass es hügelig wird.



Ich komme in die erste Ortschaft - eines der renommiertesten Weindörfer der Côte de Beaune:



Hier kommt auch die erste Verpflegungsstelle, und Pommard macht seinem Ruf alle Ehre. Ich muss einfach grinsen, als ich diese "Verpflegung" sehe.



Aber es gibt durchaus auch Wasser, Obst, Trockenobst und Lebkuchen, so wie ich das gewohnt bin. Auch wenn man in der Gegend hier die feste Meinung vertritt, Wasser schade der Gesundheit.
Eine Bemerkung zu den Zuschauern - ich kann es kaum fassen, wie teilnahmslos und abgestumpft die zahlreichen Zuschauer am Wegesrand stehen. Natürlich war die Stimmung beim Marathon im Elsass etwas ganz Besonderes, so etwas Herzliches wie dort habe ich noch nie bei einer Laufveranstaltung erlebt, aber hier um Beaune herum treffe ich wirklich auf den krassesten Gegensatz dazu. Die Zuschauer stehen da und gucken. Und sonst nichts. Keine Anfeuerungen, kein "bravo", kein Klatschen, nur stumme Blicke. Nicht mal ein müdes "allez allez" ist ihnen zu entlocken. Fast möchte ich mich bei ihnen entschuldigen, dass wir hier durch ihre geheiligten Weinberge rennen. Kurios. Umso mehr freue ich mich nun wieder auf den nächsten Elsass-Marathon im Juni!



Nach neun Kilometern schaue ich auf die Uhr und stelle fest, dass ich für die neun Kilometer genau 55 Minuten gebraucht habe, und das trotz zahlreicher Fotos, die ich schon geschossen habe. Tses, so wird das aber nichts mit meinem neuen Langsamrekord. Aber die Zeichen stehen gut, denn jetzt komme ich nach Meursault, wo es viel zu schauen und zu fotografieren gibt.

Ich laufe in den Park von Meursault hinein.



Ein paar Mönche aus Belfort laufen auch mit und lassen sich fotografieren.



Das Eingangstor vom Park.



Noch mehr Bilder vom Park und dem dazugehörigen Schloss:







Bei vielen meiner Fotos ärgern mich die überall parkenden Autos, die einfach immer das ganze Gesamtbild verhunzen *grmpf*:



Eine Band spielt auch im Park. Aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, leider können sie alleine auch nichts gegen die fehlende Stimmung ausrichten. Ich finde sie toll und applaudiere ihnen ordentlich, und ich bleibe eine Weile stehen und höre ihnen zu.



(Die Lichtverhältnisse waren wirklich alles andere als einfach zum Fotografieren, ich bitte dies zu entschuldigen.)

Hier diese nette Hartz-IV-Bruchbude noch einmal von vorne:



Und noch weitere Fotos von Meursault:











Wenn man wirklich will, kann man sich bei diesem Halbmarathon hoffnungslos betrinken:



Als es wieder aus Meursault herausgeht, kommt gerade das Kilometerschild 10, ich schaue auf meine Uhr und freue mich. Na also - geht doch - ich habe für diesen letzten Kilometer über zehn Minuten gebraucht! Ich komme meinem Ziel wieder näher ;-)

Also weiterfotografieren, was das Zeug hält:







Ein Läufer, der mich immer wieder überholt, wenn ich zum Fotografieren stehenbleibe, und an dem ich regelmäßig wieder vorbeiziehe, wenn ich wieder anlaufe, spricht mich an. "Wie machst du das nur? Immer wieder stehenbleiben und wieder anlaufen, das ist doch so anstrengend..." Stimmt, das hätte ich bis vor kurzem auch noch gedacht. Aber es ist echt ok, es macht mir nichts aus.



Und dann passiert das Unvermeidliche. Nach 14 km komme ich in der nächsten Ortschaft an, die eine meiner liebsten ist:



Und ich lese mit Entsetzen auf meinem Bildschirm, "Bitte wechseln Sie die Batterien". Der blöde Fotoapparat hat gut reden. Wie soll ich denn bitteschön die Batterien wechseln, wenn ich keine Ersatzbatterien dabeihabe? Geht doch nicht. Och Mönsch. Ich trauere den Motiven nach, die mir von nun an durch die Lappen gehen, aber es ist nichts zu machen, die Batterien sind leer. Was nun? Was tun, wenn ich nicht mehr fotografieren kann? Ich finde schnell eine Ersatzlösung - ich werde einfach einen Zahn zulegen, jetzt, wo ich nichts mehr anderes zu tun habe!
Gedacht, getan. Ich beschleunige. Da geht noch was, bisher habe ich mich ja nur ausgeruht. Und das Beschleunigen beinhaltet natürlich auch, dass ich jetzt nur noch am Überholen bin. Das macht schon Spaß und motiviert - ich bin ja die ganze Zeit ganz im hinteren Teil gelaufen, und jetzt merke ich, dass ich noch mächtig Luft habe, und ziehe nur so an den anderen Läufern vorbei. Gelegentlich kommt auch ein verwunderter Kommentar, "wo kommt die denn auf einmal her?", und das motiviert mich natürlich noch weiter. Leider bleibt es nicht beim Breezen, denn ab Kilometer 16 kommt sie, die Wand. Jetzt geht es richtig steil nach oben. Richtig ordentlich steil. Ich nehme einen Gang raus und laufe langsamer weiter, bin aber trotzdem weiter am Überholen, weil die meisten hier am Gehen sind. (Ihr seids wohl keine Semurer, was?) Ich bin meinem geliebten Semur richtig dankbar, dass es mich so hügelfest gemacht hat. Ab Kilometer 19 geht es dann wieder bergab, und ich gebe nochmal alles. Jetzt bin ich wirklich gespannt, was das wohl heute für eine Zeit geben mag. Und ich bin wirklich überrascht - als ich durchs Ziel laufe, sagt meine Uhr 2 Stunden, 12 Minuten. War es also doch nichts mit dem langsamsten aller meiner Halbmarathons, denn das war mein erster, 2004 in Freiburg, und da hatte ich eine Zeit von 2:13.
Knapp verfehlt!
Ist nicht schlimm. Ich bin sogar einigermaßen stolz auf diese Zeit. Angesichts des bergigen Profils und der vielen vielen Fotopausen ist das doch gar nicht so schlecht.

Und hier zeige ich euch noch, was jeder Finisher bekommen hat - Überraschung, Überraschung:

Mittwoch, 14. November 2007

Projekt gemütlicher Sightseeing-Halbmarathon

Am kommenden Samstag ist Halbmarathon in den wunderschönen Weinbergen und Weindörfern um Beaune herum. Das war der zweite Halbmarathon, den ich je gelaufen bin, im November 2004. Und ich weiß noch genau, wie hin und weg ich vor drei Jahren von dieser traumhaften, bildschönen Kulisse gewesen bin, durch die mich diese Strecke führte. Es war sehr hügelig, es ging immer bergauf und bergab, und die ganze Strecke war einfach nur eine Augenweide, wohin ich auch blickte. Ich habe es damals sehr bereut, meine Eindrücke nicht mit Fotos festhalten zu können.

Und deswegen liebäugele ich schon seit geraumer Zeit damit, dieses Jahr am 17. November wieder an diesem Halbmarathon teilzunehmen. Ich habe es vom Wetter abhängig gemacht - und wie es aussieht, werden wir am Wochenende sonniges, kaltes Wetter haben, und deswegen habe ich meinen Entschluss gefasst. Ich weiß, mein letzter Marathon ist erst zwei Wochen her, aber mir geht es so gut wie schon lange nicht mehr.
Und deswegen werde ich am Samstag einen gemütlichen, langsamen, regenerierenden Sightseeing-Halbmarathon hoppeln - mit Fotoapparat. Ich werde die Landschaft (und die Verpflegung) mit allen Sinnen genießen, und immer dann stehenbleiben und Fotos schießen, wenn ein Motiv mich dazu einladen wird (und ich glaube, dass das sehr oft der Fall sein wird). Es wird mit Sicherheit der langsamste Halbmarathon werden, den ich je gelaufen bin, und das wird gut so sein, denn er soll regenerativ sein.
Und wenn alles so abläuft, wie ich mir das vorstelle, dann könnt ihr am Sonntag hoffentlich das Ergebnis des Projekts gemütlicher Sightseeing-Halbmarathon hier im Blog sehen.

Hier noch der Link zur Veranstaltung - aber Achtung, die Seite ist sehr häßlich, ganz im Gegensatz zur Strecke.

Samstag, 10. November 2007

Eine extrem schnuckelige Laufveranstaltung - wer ist dabei?

Am Mittwoch war unser schöner Marathonurlaub dann leider wieder zu Ende, ich musste unwiederbringlich zurück ins Büro. Im Laufe des Vormittags ging ich meinen Kollegen in der Personalabteilung besuchen, der auch passionierter Läufer ist, um ihm von meinem letzten Marathon zu erzählen. Die ganze Personalbelegschaft war gerade zur Kaffeepause in seinem Büro versammelt, als ich dazustieß, und so erzählte ich ganz beiläufig, "übrigens, ich bin wieder Marathon gelaufen." Darauf erwiderte mein Kollege, "ja, klar, weiß ich doch.... in Berlin?", und ich, "nö, letzten Sonntag, im Elsass!" - "Du spinnst!" - "Ja, vielleicht, aber es war genial, und eine neue Bestzeit ist dabei auch herausgesprungen, 4:24!" - "Wow, genial! Du spinnst! Super, Glückwunsch, ich freu mich für dich!" Seine Bewunderung und Freude war absolut ehrlich, was ich umso mehr zu schätzen weiß, da er selbst den Marathon in unter drei Stunden läuft. So unterhielten wir uns über den Elsass-Marathon und über Marathon im allgemeinen, bis sich irgendwann die Personalchefin, die die ganze Zeit dabeigestanden war und aufmerksam zugehört hatte, einschaltete und mit den Worten an mich wandte, "verstehe ich das richtig, dass Sie dieses Jahr schon viermal Marathon gelaufen sind? Das wäre doch ein Interview und einen Artikel in unserem monatlichen Magazin wert?" Ich lächelte nur, "hm ja, klar...", pfff, ausgerechnet ich in unserem monatlichen Magazin, gehts noch. Das sagt die doch nur so daher.
Ich hatte die Begebenheit dann auch genauso schnell wieder vergessen, bis ich gestern kurz vor Büroschluss einen Anruf von einer weiteren Kollegin bekam, "du, ich habe einen Auftrag, ich soll dich ganz offiziell für unsere Firmenzeitschrift interviewen, mit Foto... passt es dir am Montag nachmittag?" Mir fiel erstmal der Hörer aus der Hand. Ich war mir wirklich sicher gewesen, dass die Personalchefin das nur so dahingesagt hatte. Öhm. Na gut, erzähle ich halt am Montag ein bisschen was über mein bewegtes läuferisches Jahr 2007.... warum auch nicht ;-)

Und jetzt noch etwas ganz anderes, speziell für Lizzy und natürlich auch für alle anderen, die das interessieren könnte. Am Vorabend des Marathons, als Charly und ich unsere Startnummer abholten, war da auch ein Stand, der für einen anderen Marathon im Elsass, nämlich den Marathon du Vignoble d'Alsace warb.
Alles, was ich bisher über diese Laufveranstaltung gehört und gelesen habe, hat mir extremste Lust gemacht, daran teilzunehmen. Wenn es nur irgendwie geht, werde ich dabeisein, und Charly hoffentlich hoffentlich auch.
Und du, Lizzy?

Datum ist der 21./22. Juni 2008. Es gibt einen Marathon, einen Halbmarathon, einen 10-km-Lauf und mehrere Kinderläufe mit unterschiedlichen Distanzen. Die Strecke führt mitten durch die schönsten Weinberge des Elsass, und nach dem, was ich am Sonntag erlebt habe, vertraue ich darauf, dass auch hier die Zuschauer einfach nur erste Klasse sein werden. Am Abend vorher findet nicht etwa eine Pasta-Party statt, nein, im Elsass heißt das anders - nämlich Spätzle-Party. Für reichliche Animationen an der Strecke ist gesorgt, neun Bands spielen an diversen Stellen und machen Stimmung, und auch um die läuferische Verpflegung muss man sich natürlich keinerlei Sorgen machen, aber was das Beste ist - es gibt nicht nur Wasser und Cola und Tee und Trockenobst und Schokolade und Müsliriegel und Lebkuchen, nein, es gibt auch an 12 Punkten der Strecke ein sogenanntes "ravitaillement gastrovinique", das heißt, die verschiedenen Weinsorten der Gegend können ausgiebig gekostet werden *hicks*. Es handelt sich hier also ganz eindeutig, darauf muss ich insistent hinweisen, um keine Bestzeitenstrecke ;-)
Es gibt wohl auch an jedem Kilometer irgendeinen anderen Oldtimer zu bewundern, vielleicht fährt der einen dann auch ins Ziel, wenn man vor lauter Weinkosten und Zickzackstolpern dem Ziel nicht mehr wirklich näherkommt. Auch Pferde werden, ähnlich wie die Oldtimer, zur Schau geboten. Es gibt also richtig viel zu sehen, zu hören und zu schmecken.
Ich bin ganz hin und weg von der Aussicht auf diesen Marathon und freue mich jetzt schon darauf. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Laufveranstaltung eine ernstzunehmende Alternative zum Médoc-Marathon darstellt, bei dem es ja auch ordentlich Bordeaux-Wein zu degüstieren gibt und der aber schon fast ein bisschen zu überlaufen ist. Der Marathon du Vignoble d'Alsace findet 2008 erst zum zweiten Mal statt und ist sicher noch etwas familiärer - hoffe ich.

Hier ist der Link zu dieser extrem einladenden Veranstaltung, die ganze Seite ist ganz im Sinne des Elsass in einem netten deutsch-französischen Mischmasch geschrieben.

Und hier kann man beim Scrollen über die diversen grünen Stichpunkte in der Liste Näheres über die Animationen an der Strecke erfahren.

Na, wär das nicht wunderschön? Wer von euch ist dabei? Ich, sofern ich das heute schon sagen kann, auf jeden Fall!

Dienstag, 6. November 2007

Ja, ist denn schon wieder Marathon - ?

Am Dienstag, dem 30. Oktober um Punkt 17 Uhr verlasse ich mein Büro mit dem Wissen, dass ich fast eine ganze Woche Urlaub vor mir habe. Ich freue mich. Mein Charly ist bei mir. Und wir wollen ins Elsass fahren, um dort am Sonntag gebührend seinen 40. Geburtstag zu feiern - natürlich mit einem netten Marathönchen als Sahnehäubchen.
(Zu dem ich mich auch angemeldet habe, übrigens. Was wohl keinen wirklich erstaunt.)

Am Freitag fahren wir also los ins elsässische Jura. Noch am selben Abend schauen wir uns das schöne Basel an, und am Samstag ist das, wie ich finde, noch schönere Colmar dran. Ich kannte Colmar zwar schon, bin aber wieder aufs neue restlos begeistert, wie bildschön es ist. Auch Charly ist sehr angetan, und das nicht nur wegen der leckeren Flammkuchen, die es dort gibt. Hier wollen wir wohnen, haben wir beschlossen.







Sonntagmorgen.
Ja, ist denn schon wieder Marathon - ?
Aber erstmal wird mein Charly zum Geburtstag mit all meiner Liebe überschüttet. Die kriegt er zwar jeden Tag, aber zum 40. gibt es dann doch noch mehr davon, ich hab da noch so einiges in Reserve. Wir frühstücken gemütlich, es gibt leckeres Baguette und Brioche mit Marmelade und Nutella, das nenn ich ordentliches Carboloading, und dann fahren wir los nach Ferrette, wo der Start ist. Das Wetter ist mal so eine richtig trübe Suppe. Nebel, kühl, windig, leichter Nieselregen. Super. Ist aber nicht schlimm. Wir laufen ja bloß Marathon.
Wir stehen zusammen am Start, und wir verabschieden uns für die nächsten paar Stündchen, ich wünsche Charly einen wunderschönen Geburtstagslauf. Ich habe nämlich darauf bestanden, dass wir es heute getrennt angehen - Charly soll ja auch mal wieder einen Marathon in seinem eigenen Tempo laufen und nicht immer nur im Hasentempo.
260 Teilnehmer sind dabei, schön übersichtlich ist das. Nach dem Startschuss geht es flott über die Startlinie, und ich habe, anders als in Berlin, keine Angst davor, dass mir jemand in die Hacken läuft oder dass ich totgetreten werde. Ich sehe Charly von dannen ziehen und versuche mein eigenes Tempo zu finden, was aber irgendwie schwierig ist, da es erstmal ordentlich bergab geht. Ich laufe und sehe immer noch Charly vor mir, dank seiner knallroten Jacke behalte ich ihn wunderbar im Blick. Ganz langsam entfernt er sich weiter von mir. Kurz vor dem ersten Kilometerschild packt mich dann so eine unbändige Lust, ihm noch einen motivierenden Klaps auf seinen süßen Po zu geben. Das muss jetzt noch sein, und das brauch ich auch für mich, das wird mir Glück bringen für diesen Marathon. Also lege ich einen ordentlichen Zahn zu, um ihn wieder einzuholen. Na, Hase, ob das so schlau ist, noch vor dem ersten Kilometerschild gleich einen richtigen Sprint hinzulegen? Egal, ich muss zu Charlys Po, das ist jetzt erstmal mein Ziel. Ich passiere das erste Kilometerschild und schaue auf meine Uhr - öhm. Ziemlich haargenau 5 Minuten. Das ist zu schnell!! Aber ich mache ja gleich langsamer. Ich hole Charly ein und haue ihm richtig schön genüßlich auf seinen knackigen Läuferpo. Er fällt fast in Ohnmacht - "was machst denn DU hier ??!" - "Ich musste dir noch einen Glücksklaps geben. Jetzt lauf schön, ich bin dann jetzt auch wieder weg." Und damit lasse ich ihn endgültig ziehen.
Marathon macht Spaß. Das Schöne an diesem Marathon ist, dass er einerseits durch eine sehr schöne Herbstlandschaft führt, und andererseits durch ganze 14 Dörfer. Und bei jedem zusätzlichen Dorf, durch das ich laufe, bin ich immer mehr angetan und werde immer begeisterter - die Elsässer Zuschauer sind bombig. So etwas habe ich noch nie erlebt. In jedem Dorf (und es handelt sich hier um 200-Seelen-Käffer) stehen mehrere Gruppen von Leuten zusammen, jung und alt, alles dabei, und diese Leute geben einfach alles. Da wird absolut jedem einzelnen Läufer applaudiert, es wird gepfiffen, gejubelt, trompetet, die Menschen strahlen eine solche herzliche Begeisterung aus, sie scheinen sich riesig zu freuen, dass sie die Marathonläufer anfeuern dürfen und stören sich nicht im geringsten an dem Nieselregen, der nach wie vor fällt, dass es mir jedesmal ganz warm ums Herz wird und ich immer breiter grinsen muss. Ich bedanke mich bei den Gruppen, sage immer wieder, "merci... vous êtes super... c'est trop gentil... merci!", ich bin wirklich gerührt, und das wiederum freut die Zuschauer. Ganz oft bekomme ich zu hören, wie toll es ist, dass ich den Marathon mit einem Lächeln laufe, aber wie kann man bei solch einer herzlichen Kulisse nicht lächeln? Ich stelle fest, dass ich diese kleinen, familiären Marathons den Riesen-Stadtmarathons eindeutig vorziehe. Was brauche ich 40.000 andere Läufer um mich herum? Das brauche ich nicht. So ist das doch viel schöner.
Ich schaue natürlich regelmäßig bei jedem Kilometerschild auf die Uhr und bemerke, dass ich für einen Marathon - das sind 42,2 Kilometer, Hase! - eigentlich ein bisschen zu schnell unterwegs bin, aber es macht mir keine weiteren Sorgen, da es gut läuft. Aber als ich dann bei Kilometerschild 7 auf die Uhr schaue, werde ich dann doch nervös. Die Uhr sagt 39 Minuten und 55 Sekunden. 7 Kilometer in unter 40 Minuten - das ist schnell. Für meine Verhältnisse ist das sogar dann schnell, wenn ich nur 7 Kilometer laufe und keine 42. In diesem Moment sage ich mir: Hase, entweder läufst du heute eine neue Bestzeit, oder du wirst zum ersten Mal bei einem Marathon so richtig ordentlich einbrechen.
Lassen wir es auf uns zukommen.
Es geht dann genau in dem gleichen Schema weiter: ich genieße die schöne Elsässer Landschaft, in der ich alleine auf weiter Flur bin, und ich genieße in den Dörfern die herzlichen und motivierenden Zuschaueranfeuerungen. Das Publikum bleibt bis zum Schluss allererste Sahne.
Ab Kilometer 25 fangen meine Füße an, wehzutun, aber das kenne ich, ein Marathon ist nun einmal weit, das macht nichts. Ich schließe zu zwei Läufern auf, die mich bei Kilometer 5 überholt hatten. Ich höre, wie der eine dem anderen erklärt, "... du darfst nicht denken, dass nur du Schmerzen hast. Alle haben Schmerzen. Das ist Marathon, und Marathon tut weh. Du bist da nicht alleine. Diejenigen, die den Marathon in unter 3 Stunden finishen, haben Schmerzen, der, der als Letzter ins Ziel kommt, hat Schmerzen, und auch dieser Dame, die uns gerade überholt (er meinte mich), tut alles weh. Oder? Können sie mir das bestätigen? Tut Ihnen auch alles weh?" Ich nicke und sage, "ja, absolut. Klar. Keine Frage." Dazu grinse ich breit. Der Tröster will von mir wissen, ob das mein erster Marathon ist. Ich sage, nein, das ist mein vierter - und mein vierter dieses Jahr. Er zeigt sich beeindruckt und sagt mir, dass es für sie alle beide der erste sei. An dieser Stelle meldet sich zum ersten und zum einzigen Mal der andere Läufer, der glaubt, mit seinen Schmerzen allein zu sein, zu Wort: "Und es ist auch unser letzter, übrigens!!" Dann verfällt er wieder in Schweigen. Der Gesprächigere von den beiden will noch mehr Einzelheiten über meine anderen Marathons erfahren, und als ich erwähne, dass ich am 30. September in Berlin gelaufen bin, sagt er, oh, Berlin. Da habe er schon sehr viel davon gehört, und da müsse die Stimmung doch so unglaublich einmalig sein?, worauf ich erwidere, "nun, ich persönlich finde die Stimmung hier im Elsass viel netter und herzlicher", und das meine ich auch tatsächlich so.
Jetzt merke ich aber, dass mir das Tempo ein bisschen zu gemächlich wird, und ich verabschiede mich von den beiden und laufe vor.
Kilometer 26 bis 30 finde ich immer besonders fies. Man hat schon einen richtig langen Lauf hinter sich, aber eben auch noch ganz schön viel vor sich. Ab Kilometer 30 kann ich mich dann wieder besser motivieren, denn jetzt sind es ja nur noch 12 Kilometer, und 12 Kilometer gehen immer, irgendwie. Eine herrliche Ablenkung bieten auch immer die Verpflegungsstände. Die Versorger sind absolut herzlich und besorgt, "nicht nur trinken, essen Sie auch was, das ist wichtig!", und das lasse ich mir nicht zweimal sagen, denn das Bufett bietet wieder einmal alles. Es gibt nicht nur mein unschätzbar wertvolles Cola, sondern auch warmen Tee, Orangen, Kuchen, Trockenpflaumen, getrocknete Aprikosen, Lebkuchen, Schokolade, Müsliriegel.... ich halte mich aber ncht lange auf, da ich doch noch so ein bisschen die Uhr im Blick habe. Es könnte doch tatsächlich was werden mit der Bestzeit. Meine bisherige Würzburg-Bestzeit von 4:33 könnte ich tatsächlich knacken, und wenn es richtig gut läuft, wird es vielleicht sogar eine Sub-4:30, so eine nette 4:29 wär doch super? Schauma mal. Ich mag mir aber keinen Stress machen. Bei jedem zusätzlichen Kilometer tut es jetzt mehr weh. Ab Kilometer 35 kann ich es nicht anders sagen, mir reichts, es schmerzt, ich hab die Nase voll. Aber umdrehen wär jetzt auch blöd. Bei Kilometer 36 denke ich an Berlin und daran, wie ich geweint habe und nicht mehr konnte und nicht mehr wollte, und ich motiviere mich dadurch, indem ich mir sage, dass es mir doch heute um Klassen besser geht. Irgendwie kämpfe ich mich durch die letzten Kilometer, 38, 39, 40.... ich überhole noch ein paar Läufer, die mir alle "bravo" zurufen, als ich an ihnen vorbeiziehe, was ich auch sehr nett und fair finde. Ich freue mich jetzt nur noch aufs Ziel und darauf, Charly in die Arme zu fallen und ihn wieder ein bisschen vollrotzen zu dürfen - und meine Wimperntusche will ja auch wieder an den Mann gebracht werden. Jetzt riecht es nach Ziel. Nach Kilometer 41 laufe ich an unserem Auto vorbei.
Und wer steht da gerade in Unterhose und zieht sich um? Charly!! Er schaut auf, sieht mich, und sagt nur ganz erstaunt, "Hase - ?!!" und schaut auf die Uhr, so auf die Art, was willst du denn jetzt schon hier?! Tses, dann werd ich wohl keinen Charly im Ziel finden.
Aber auf ihn warten mag ich jetzt auch nicht :-)
Ich breeze die letzten paar hundert Meter nochmal los, was das Zeug hält, die letzten dreihundert Meter sind richtig fies, weil es ordentlich bergab geht, viele gehen hier, weil die Knochen wohl keinen Bergab-Endspurt mehr mitmachen wollen, aber ich will ins Ziel laufen. Das mache ich auch, ich überquere die Ziellinie, und ich schaue auf meine Uhr. Und dann bin ich richtig überwältigt und muss losschluchzen. Ach Charly, wo bist du denn. Ich will diesen Moment doch mit dir teilen.
Meine Uhr sagt 4 Stunden, 24 Minuten!!!
Ich freue mich wahnsinnig. Und das fünf Wochen nach Berlin, wo ich mir sicher war, dass ich die 4:33 von Würzburg nie wieder würde erreichen können. Keinen langen Lauf habe ich seitdem mehr gemacht.
4:24 !!!
Und das bei immerhin 300 Höhenmetern.
Irgendwann kommt dann auch Charly eingetrudelt und ist völlig überwältigt - ja Hase, was machst du denn schon hier? Mit dir habe ich ja noch gar nicht gerechnet? :o)))

Bei Charly wurden es diesmal 3:56. Mit einem Besuch von Herrn Hammermann bei Kilometer 41, auch nicht schlecht, oder? Aber davon wird er selber auch noch erzählen.
Ich hab auch diesmal wieder keine Bekanntschaft mit diesem Herrn gemacht. Muss ich wohl noch ein bisschen schneller laufen, wenn ich auch endlich mal in den Genuss kommen will.
Schauen wir mal, was ich nächstes Jahr so zusammenlaufen könnte.
Denn: das war definitiv mein letzter Marathon für dieses Jahr, versprochen ;-)

Zum Schluss noch eine statistische Zusammenfassung meiner Marathons:

15. April 2007 - Marathon du Charolais - 4:42
13. Mai 2007 - Würzburg-Marathon - 4:33
30. September 2007 - Berlin-Marathon - 4:44
04. November 2007 - Marathon du Jura Alsacien - 4:24

*freu*