Sonntag, 16. September 2007

Meine Achillessehne und ich - ein unschlagbares Team.

Aua.
Mir tut restlos alles weh. Nur nicht die Achillessehne. Und deswegen geht's mir ja soooo gut :o)

Aber von vorne.
Mit sehr gemischten Gefühlen mache ich mich heute auf den Weg zu meinem langen Lauf. Den Grund für diese gemischten Gefühle kann man in meinem Eintrag von gestern nachlesen - es sind nichts weiter als absolut paranoide, hypochondrische Hirngespinste, und deswegen reiße ich mich zusammen und laufe los. Es ist sonnig und schön warm, es hat um die 25°, aber das macht mir nichts aus, ich mag diese Temperatur. Was meinen verkorksten Kopf mitsamt seinen Ängsten angeht, sind die ersten zwei Kilometer die schlimmsten. Ich horche krampfhaft in mich hinein. Na? Tut schon was weh? Nein? Hm. Komisch. Aber jetzt doch, da war doch was? Nein, immer noch nicht? Na gut, dann kann ich ja genausogut versuchen, mich ein kleines bisschen zu entspannen und diesen schönen Sonnenlauf zu genießen, das wäre sicher auch nicht das Verkehrteste. Ich habe mir für heute eine herrliche 31-km-Runde ausgesucht, die auch ein schönes Bonbon fürs mentale Durchhalten ist, denn es handelt sich ausschließlich um Dörfer, durch die ich schon gelaufen bin, ich kenne sie alle acht sehr gut - aber ich habe sie noch nie alle zusammen in einem einzigen Lauf abgehoppelt. Und so denke ich immer nur in Etappen, ich halte mir nie die ganzen 31 Kilometer vor Augen, sondern immer nur die Strecke bis zum nächsten Dorf. Und das klappt sehr gut. Nach sechs Kilometern lande ich in Cernois, und es geht mir prächtig. Wovor hatte ich eigentlich solche Angst? Ich will diesen Lauf jetzt mit allen Sinnen genießen. Das wird aber jetzt erst einmal unterbrochen, da ein Landwirt aus seiner Scheune tritt - ich schätze ihn auf über 80 - und mich freundlich lächelnd und fast zahnlos anspricht. Ich nehme meine Kopfhörer aus den Ohren und frage freundlich, pardon? Und dann ergibt sich der folgende Dialog, der mich köstlich amüsiert hat - ich schreibe ihn mal im Original auf, für die frankophilen Leser, und versuche ihn dann einigermaßen sinngemäß zu übersetzen. Die vielen r's sollen nur den Burgunder Dialekt ausdrücken, die gehören natürlich in Wirklichkeit da so nicht hin - aber die ältere Burgunder Generation rollt die r's so herrlich, ich finde das so herzig.

Version française:
Opi: Jolie demoiselle, bonjourrrr... vous êtes sporrrrtive, hein ?
Hase: Euh... oui :)
Opi: Vous courrrrez ou, comme ça?
Hase: Je viens de Semur, je passe ici par Cernois pour aller à Sauvigny, à Vic, à Pouligny, à Genay, à Milléry, à Charentois, et puis je vais retourner sur Semur....
Opi - völlig von den Socken: Vous allez jusqu'à CHARRRRENTOIS!! Eh ben, eh ben !! C'est forrrrt, ça! Vous êtes vrrrrraiment sporrrrtive, hein ?
Hase: Oui, je crois....
Opi: Et - excusez ma currrriosité - je vois que vous avez des écouteurrrrs, là - c'est quoi?
Hase: J'écoute de la musique avec ça....
Opi: Eh ben, de la musique!! C'est extrrrraordinaire, ça! On n'arrête pas le prrrrrogrrrrès! Et puis, vous êtes bien sporrrrtive, quand même, hein?
Hase: (mittlerweile richtig breit grinsend) Oui.....
Opi schaut mir mittlerweile ganz unverhohlen auf meinen Bauch (ich trage ein bauchfreies Top), ich habe den Eindruck, er würde mir einfach gerne mal in den Bauch kneifen, und ich gehe rein sicherheitshalber zwei Schritte zurück.
Opi: Eh ben, eh ben. C'est bien, ça. Ça me plaît. Vous êtes bien sporrrrtive!
Hase: Oui... j'aime ça. Mais je vais y aller maintenant.... c'était chouette de discuter avec vous.... bon dimanche!
Opi schaut mir immer noch auf den Bauch. Oui, courrrrez bien, jolie demoiselle.... au revoir! Vous êtes bien sporrrrtive!

Deutsche Fassung:
Opi: Hübsches Fräulein, bonjourrrrr ... Sie sind aber so rrrrichtig sporrrrrtlich, was?
Hase: Öhm... ja :)
Opi: Wo rrrrennen Sie denn hin?
Hase: Ich komme aus Semur, jetzt bin ich in Cernois , und dann geht es weiter nach Sauvigny, nach Vic, nach Pouligny, nach Genay, nach Milléry, nach Charentois, und dann wieder zurück nach Semur....
Opi - völlig von den Socken: Sie laufen bis nach CHARRRRENTOIS!! Ja sowas !! Ja sowas! Das ist starrrrk! Sie sind aber rrrrichtig sporrrrtlich, was?
Hase: Ja, ich glaub schon....
Opi: Und - entschuldigen Sie meine Neugier! - ich sehe, dass Sie Kopfhörrrrer haben - wofürrr sind die?
Hase: Damit höre ich Musik....
Opi: Ja sowas! Musik!! Das ist ja wunderbarrrr! Der Forrrtschrrritt geht immer weiter! Und außerdem sind Sie aber rrrrichtig sporrrrtlich, was?
Hase: (mittlerweile richtig breit grinsend) Ja, doch.....
Opi schaut mir mittlerweile ganz unverhohlen auf meinen Bauch in meinem bauchfreien Top, ich habe den Eindruck, er würde mir einfach gerne mal in den Bauch kneifen, und ich gehe rein sicherheitshalber zwei Schritte zurück.
Opi: Na sowas aber auch. Na sowas. Das gefällt mir. Das find ich gut. Sie sind aber rrrrichtig sporrrrrtlich!
Hase: Ja.... ich liebe das Laufen. Jetzt laufe ich aber mal weiter.... war nett, mit Ihnen zu plaudern... einen schönen Sonntag!
Opi schaut mir immer noch auf den Bauch. Ja, rrrrennen Sie schön weiter, hübsches Frrrräulein.... au revoir! Sie sind aber rrrrichtig sporrrrlich!

Die 2 Kilometer von Cernois bis Sauvigny musste ich dann in einem durch nur grinsen - dieser Opi war einfach zum Quietschen. Zum Glück habe ich ihn nicht um ein Glas Wasser gebeten, sonst wäre ich jetzt immer noch dort.
Sauvigny ist ein 5-Häuser-Kaff, in dem es doch tatsächlich ein Café gibt, das auch noch sehr einladend aussieht. Da müssen wir mal einkehren. Aber nicht heute. 2 Kilometer nach Sauvigny komme ich nach Vic de Chassenay - das Dorf mit meinem Lieblingsbrunnen. Ich lege meine erste wohlverdiente Trinkpause ein und laufe frisch gestärkt weiter. Von hier aus sind es jetzt 4 Kilometer bis Pouligny. Es läuft richtig gut. Ich entspanne mich immer mehr. Als ich von Pouligny bis nach Jeux-les-Bard laufe, muss ich daran denken, als ich hier vor ein paar Wochen mit Charly gelaufen bin. Wir hatten uns auf einen 10-km-Lauf aufgemacht, bei dem wir uns leicht verschätzt hatten, weil es sich nämlich in Wirklichkeit um einen 13-km-Lauf gehandelt hatte. Und wir waren auf den letzten drei Kilometern ja so am Ende - weil unser Kopf auf 10 km eingestellt war und nicht auf 13. Daran muss ich jetzt denken, und dass es mir doch heute viel besser geht, obwohl ich jetzt schon über 13 km in den Beinen habe - weil ich heute eben auf 31 Kilometer eingestellt bin, da darf man nach 13 km noch nicht schlappmachen. Ich durchquere Jeux-les-Bard und schlage den Weg in Richtung Genay ein und wage mich zum ersten Mal ein bisschen darüber zu freuen, wie gut es mir doch geht? Jetzt hab ich ja eigentlich schon die Hälfte, und gar nix tut weh? Nicht mal im Kopf, das ist das Erstaunlichste! Die ca. 5 km bis Genay kommen mir dann auf einmal recht lange vor, es zieht sich. Aber mir geht es gut. In Genay muss ich dann meine Mini-Karte zu Rate ziehen, da ich weiß, dass ich hier irgendwo rechts abbiegen muss nach Milléry, ich weiß aber nicht so genau wo. Ziemlich am Anfang des Dorfes, sagt die Karte. Na gut - dann biege ich doch gleich hier rechts ab. Beschildert ist hier aber nichts, und ich habe das ungute Gefühl, auf der falschen Fährte zu sein. Einen größeren Umweg zu laufen wäre jetzt arg blöd. Ich laufe nur sehr zögerlich weiter, hm, was tun?, als ich die Rettung in Form einer auf einen Balkon verbannten Raucherin sehe. Da lobe ich mir doch das neue Anti-Rauch-Gesetz, ohne das ich doch glatt um diese wertvolle Auskunft gekommen wäre! ;-)
Ich laufe auf die Dame zu und frage sie, ob es hier nach Milléry geht. Sie antwortet mir, "ouh là.... non, pas du tout!", was soviel heißt wie "oh je, nein, absolut nicht!" Sie weist mir die richtige Richtung, ich bedanke mich und drehe um. Na gut, ein paar hundert Meter Umweg kann ich verkraften. Beim Weiterlaufen denke ich mir noch, dass ich sie doch eigentlich um ein Glas Wasser hätte bitten können - verpasst. Heiß ist mir mittlerweile auch. Aber spätestens in Milléry gibt es einen Friedhof mit wunderbarem frischem Wasser. In der Ortsmitte habe ich noch einmal Zweifel, Genay ist aber auch ein großes Dorf!, ich frage noch einmal drei Herren nach dem Weg, die gerade den französischen Volkssport Pétanque spielen. Diese Auskunft fiel sehr mürrisch und unfreundlich aus, weiß der Geier warum, pfff, ihr könnt mich mal, und nach Wasser frage ich euch mit Sicherheit auch nicht. Ich laufe die Straße in Richtung Milléry hoch und komme, oh Freude, das wusste ich nicht, am Friedhof von Genay vorbei. Ich halte an und trete ein - jetzt freue ich mich aber aufs Trinken. Ich durchquere den ganzen Friedhof - und finde keinen Wasserhahn. Der Friedhof von Genay hat doch tatsächlich keinen Wasserhahn! Blödes Kaff. Ich muss mich wieder in Bewegung setzen, ohne etwas getrunken zu haben, und jetzt fängt es an, mir schwerzufallen. Meine Beine werden schwer, alles wird schwer, mir reicht es jetzt eigentlich. Ich habe auch schon ca. 23 Kilometer hinter mir. Jetzt muss ich mir selber Mut zusprechen - ist nicht mehr weit bis Milléry, in Milléry darfst du trinken, und von Milléry bis Semur sind es dann nur noch fünf Kilometer, ein Klacks.... nein, es ist kein Klacks, es läuft zäh jetzt, aber es läuft, und die Achillessehne tut überhaupt nicht weh. Ist das nicht das Wichtigste? Ich kämpfe mich bis nach Milléry, lasse mich dort genüsslich neben dem Wasserhahn im Friedhof nieder, das will ich jetzt genießen, ich setze mich hin und lasse mir das frische, klare Wasser über die Hände laufen, schütte mir etwas davon über den Kopf und mache mir die Haare nass, wieso ist es eigentlich Mitte September so heiß?, und ich trinke. Ich trinke und trinke, minutenlang, bis mein Bauch anfängt zu gluckern, dann drehe ich den Wasserhahn zu und laufe weiter. Puh. Noch gut fünf Kilometer, die werde ich doch schaffen? Jetzt fällt mir auch auf, dass es mittlerweile viertel nach zwei ist, und dass ich mein Frühstück um viertel vor neun beendet habe. Seitdem habe ich nichts mehr gegessen, nur noch Wasser getrunken. Da darf man sich nach 26 gelaufenen Kilometern schon mal ein bisschen schlapp fühlen, aber - das ist Training! Gebt mir in Berlin ein Stück Banane nach 26 km, und ich werde fliegen! Die letzten drei Kilometer sind richtig hart, mir reicht es, ich mag nicht mehr, ich kann nicht mehr, mir ist heiß, ich habe Hunger, ich habe Durst, und ich schlappe in einem gefühlten 8-Minuten-Schnitt vor mich hin und verfluche den Berlin-Marathon. Aber gleichzeitig bin ich einfach nur stolz auf meine Achillessehne. Sie tut einfach nicht weh! Kein bisschen, und das, obwohl ich ihr doch nun schon wochenlang einrede, dass sie eigentlich wehtun müsste?! Ist sie nicht lieb? Ich bin gerührt von ihrem hartnäckigen Widerstand und spreche ihr in Gedanken ein dickes Lob aus, wir werden es noch weit zusammen bringen, meine Achillessehne und ich, zumindest werden wir den Berlin-Marathon zusammen durchlaufen - sollte ich diese vermaledeiten 31 Kilometer heute überleben, aber das wäre doch gelacht!
Als ich vor meinem Hasenstall ankomme, bin ich tot - alles tut mir weh - alles außer der Achillessehne, und das ist das Höchste der Gefühle. Ich bin jetzt so froh, dass ich diese 31 km gemacht hab und mich nicht von meiner völlig saublöden Paranoia ins Bockshorn habe lassen.
Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!

Für die Statistik: 31 Kilometer in 3 Stunden und 24 Minuten, 344 Höhenmeter.

Samstag, 15. September 2007

Wieviel Paranoia ist normal?

Mal ehrlich. Ist das noch normal? OK, zugegeben, ich freue mich jetzt schon seit über einem halben Jahr auf den Berlin-Marathon, ist klar, dass sich dabei eine gewisse Erwartungshaltung entwickelt und somit auch eine Angst, dass doch noch etwas dazwischenkommen könnte, aber - ich habe doch trotzdem restlos einen an der Waffel, oder?
Kann mir bitte mal jemand bestätigen, dass ich spinne?
Es würde mich nämlich ungemein beruhigen.

  • Bei jedem Lauf, den ich in den letzten zwei bis drei Wochen gemacht habe, war ich davon überzeugt, dass das jetzt ganz bestimmt mein letzter schmerzfreier Lauf gewesen ist. Völlig egal, ob das ein langer Lauf von über 25 km war oder ein kurzes Läufchen von 6 km... morgen tut bestimmt was weh. Und wir müssen alle sterben, mindestens.
  • Jedesmal, wenn ich die Treppe hinuntergehe, warte ich darauf, dass mir die Achillessehne wehtut. Sie tut es aber nie, wohlgemerkt!! Trotzdem warte ich darauf. Immerzu. Und wir müssen alle sterben, mindestens.
  • Ich horche krampfhaft in mich hinein. Schon morgens vor dem Aufstehen horche ich in mich hinein, ob da nicht vielleicht was wehtut. Und wir müssen alle sterben, mindestens.
  • Die ersten Schritte nach dem Aufstehen sind immer ganz entscheidend: na, zwickt sie jetzt, die Achillessehne? Nein? Immer noch nicht! Kann doch nicht sein! Wir müssen doch schließlich alle sterben, mindestens!!

Ich pack mich jetzt echt langsam selber nicht mehr, so rein mental, und bin froh, wenn dieser Berlin-Marathon, auf den ich mich so wahnsinnig freue, vorbei ist, damit ich mich endlich wieder ein bisschen entspannen kann.... morgen steht mein letzter (und einziger richtiger) langer Lauf von 30 km an. Dass ich das kann, steht außer Frage. Ich liebe solche langen Läufe. Die Frage ist nur, ob ich ihn mental wegstecke und es schaffe, nicht bei jedem Schritt Angst vor der Achillessehne zu haben und nicht daran zu denken, dass wir alle sterben müssen, mindestens.

Drückt mir und meinem völlig verqueren Kopf die Daumen. Die Achillessehne braucht keine gedrückten Daumen - der geht es nämlich glänzend.

Dienstag, 11. September 2007

Yesss - neue 10-km-Bestzeit!

Vor ein paar Tagen habe ich meinem Hasen-Coach meinen Laufplan für diese Woche vorgelegt, der so aussieht:

  • Montag Ruhe
  • Dienstag 10 km
  • Mittwoch 6 km (davon drei barfuß)
  • Donnerstag 12-14 km
  • Freitag Ruhe
  • Samstag 6 km (davon drei barfuß)
  • Sonntag 30 km

Charly meinte, der sei sehr gut, der würde ihm prima gefallen - und ich solle doch die 10 km am Dienstag ruhig mal ein bisschen schneller als gewöhnlich laufen, wenn mir danach sei.
Ja? Na gut. Wenn mein Hasencoach das sagt, dann mach ich das, der weiß ja, was gut und richtig für mich ist. Und so bin ich heute gleich um halb sechs nach der Arbeit auf meine genau abgemessene St. Euphrône Runde aufgebrochen, von der ich weiß, dass sie genau 10,8 km lang ist, und auch, an welcher Stelle sich genau die 10-km-Marke befindet.
Was ich erst seit ein paar Tagen weiß, dank Running Ahead, ist, dass diese Runde auf die 10,8 km genau 100 Höhenmeter hat. Na ja, dass sie nicht ganz flach ist, wusste ich natürlich schon länger, drei schöne Hügel sind drin, aber flacher geht halt nicht, das ist das Flachste, was ich hier kriegen kann.
Und so lief ich los - gleich von Anfang an etwas schneller als üblich. Es fühlte sich gut an. Der erste Hügel kommt gleich nach 800 Metern und zieht sich etwa einen Kilometer hin. Es lief gut. Dann geht es einen knappen Kilometer leicht bergab, ich bemühte mich, nicht so sehr zu bremsen. Dann kam ich in Pont an und musste dort die Straße überqueren, da muss man immer höllisch auf die Autos aufpassen, aber auch das hab ich gut hingekriegt. Dann ging es in Richtung Pont-et-Massène, es ging den zweiten Hügel hoch, und es lief immer noch gut. Und so langsam reifte die Idee in mir, Mensch Hase, wie wäre es, wenn du heute mal eine richtig gute 10-km-Zeit hinlegst? Es fühlt sich doch gar nicht so schlecht an, das flottere Tempo. Au ja, das machst du.
Und lustigerweise fühlte es sich genau ab dem Augenblick, in dem ich beschlossen habe, heute eine gute 10-km-Zeit hinzulegen, überhaupt nicht mehr gut an. Der Kopf! Aber da muss ich jetzt durch, aufgeben gilt nicht, beiß dich durch, Hase. 4 km lagen hinter mir, dann 5 km, ich kam in St. Euphrône an, durchquerte es, nahm den dritten und letzten Hügel am Ortsausgang in Angriff, und bemühte mich, mein Tempo zu halten. Als ich aus St. Euphrône draußen war, wurde es dann fies - denn auf einmal hatte ich richtig ordentlichen Gegenwind. Wo kommt der denn jetzt auf einmal her? Das ist böse. Wind mag ich nicht beim Laufen. Meine Hügel machen mir nix aus, aber bitte kein Gegenwind! Dem Wind war das natürlich egal, er blies munter weiter, und ich kämpfte weiter - vor allem mit mir selbst. Ich keuchte. Hase, willst du das wirklich durchziehen? Mit Gegenwind so breezen? Ich suchte natürlich nur nach einer Entschuldigung, um langsamer machen zu können, aber nix da, ich gewann den Kampf gegen mich selbst und hielt das Tempo. Ich will mal versuchen, meine Gedanken, die mir dabei so durch den Kopf gehen, in etwa wiederzugeben: "Boah, ist das schlimm. Mist, es tut weh. Lass es sein, Hase. Spaß macht das keinen. Laufen soll doch Spaß machen und nicht wehtun. Is noch weit? Spaß macht das nicht.... ich will jetzt, dass es vorbei ist......" So kämpfte ich mich durch die Kilometer und durch den Wind. Mittlerweile war ich in Villenotte angekommen, und am Ende von Villenotte traf ich dann, wie könnte es auch anders sein, auf meine gefürchtete Allee. Los, Hase. Heute läufst du die Allee so schnell hoch wie noch nie, und dann hat das Leiden ein Ende. Und den nächsten Lauf machst du wieder langsam und gemütlich. Höllisch aufpassen musste ich auch, denn die Allee besteht nun einmal ausschließlich aus Kastanienbäumen, und es liegen jetzt schon eine ganze Menge Kastanien auf der Erde. Auf eine drauftreten und umknicken - das wollen wir doch bitteschön tunlichst vermeiden!!
Als das "Ziel" in Sichtweite war, legte ich nochmal eins drauf. Jetzt hast du dich so lange gequält, jetzt kannst du am Ende auch nochmal alles geben. Die letzten paar hundert Meter sind dann echt die Hölle, boah, ich weiß schon, warum ich kurze schnelle Läufe echt nicht leiden kann, es macht keinen Spaß, an der Kotzgrenze zu laufen, aber dann näherte ich mich meinem 10-km-Punkt, lief durch, schaute auf meine Uhr und hab mich irre gefreut.
Ich bin die 10 km heute in 53 Minuten und 30 Sekunden gelaufen, das habe ich noch nie geschafft. Und das mit Hügeln und Gegenwind.
Ich freu mich und bin schon ein bisschen stolz.
Einfach mal so ganz unvermittelt, ohne das zu planen, eine neue 10-km-Bestzeit hinzulegen, das kommt wirklich gut.
Daheim habe ich gleich den Hasencoach angerufen, um ihm mitzuteilen, wie ernst ich seine Anweisungen nehme und um mir sein Lob abzuholen - das ich natürlich prompt bekommen habe.

Sonntag, 9. September 2007

Weniger ist mehr.

Während die anderen Mitglieder unserer Berliner Stirb-Langsam-Truppe heute garantiert wieder am Streben waren, dass alles zu spät ist, bleibe ich meinem ganz persönlichen Hasenmotto treu: weniger ist mehr. Denn - ich will ja nicht alle Reserven schon vor Berlin verpuffen, nicht wahr? Und so bin ich heute schlappe 22 km gelaufen, nicht viel mehr als einen guten Halbmarathon, und hebe mir den einzigen wirklichen wahren 30er für nächstes Wochenende auf. So mach ich das. Das ist mein ganz persönlicher Hasen-Trainingsplan, der ist durchdacht, präzise und kompakt, und der ist gut. Ich steh da voll und ganz dahinter.

(OK, ich verrate euch, was wirklich los ist. Ich habe einfach eine völlig irrationale Heidenangst, dass mir vor Berlin doch noch eine Verletzung dazwischenkommen könnte, meine beliebteste Horrorversion ist die Achillessehne, und deswegen sag ich mir, weniger ist mehr. Und überhaupt hat vor meinem ersten Marathon auch ein einziger Dreißiger gereicht, warum sollte es diesmal anders sein? Und überhaupt, Finger weg von meiner Paranoia, das singt auch Sven Regener, und der hat nun wirklich immer recht. Trotzig mit dem Fuß aufstampf. Und Klammer zu.)

Heute wollte ich mal wieder mir noch unbekanntes Terrain erhoppeln, und ursprünglich sollte es heute nach Arnay-sous-Vitteaux gehen, wo es unheimlich schön sein muss. Dank Running Ahead hab ich mir eine schöne Route von 23 km ausgetüftelt und mir dann so zum Spaß auch mal die Höhenmeter ermitteln lassen. Diese Höhenmeter-Zahlen sind ja immer mehr oder weniger chinesisch für mich, aber - 400 Höhenmeter auf 23 Kilometer? Das kam mir dann doch viel vor. Das ist viel, oder? Diese Zahl hat mich zumindest so weit abgeschreckt, dass ich mir eine völlig neue Route ausgesucht habe, denn wir laufen nun mal in Berlin, und Berlin ist flach! Was soll ich denn da mit meinem ganzen Höhentraining? Bringt doch nix, da mach ich mir höchstens kurz vorher noch die Achillessehne kaputt....... ooops, haaalt, stopp, böses Gedankengut, sowas darfst du nicht mal denken, Hase, und doch begleiten mich genau diese Gedanken auf Schritt und Tritt!! Schlimm ist das.
Aber ich weiche ab.

Meine Wahl fiel dann auf eine Route im Forêt de St. Jean, das ist ein Wald, der im benachbarten Département Yonne liegt, im Ausland sozusagen, und den ich noch nicht kannte. Diese Route hatte immerhin auch 250 Höhenmeter auf 22 km, aber das ist immer noch besser als 400, und überhaupt renne ich euch in Berlin allen davon, aufgrund meines durchdachten (!) und präzisen (!) und kompakten (!) Höhentrainings.
Haile Gebrselassie, zieh dich warm an.

Vom Lauf selber gibt es eigentlich nichts Besonderes zu berichten, außer dass er mich durch einen richtig schönen Wald führte, was mein Herz natürlich aufleben ließ, denn ich liebe schöne Wälder. Ich habe meinen IPod von vornherein im Auto liegengelassen und bin die ganzen 22 km ohne Musik im Ohr gelaufen, das war auch mal wieder schön.
Irgendwann musste ich dann rrraus aus dem Wald, versteht ihr mich, und kam in das einzige Kaff Dorf, das auf meiner Route lag, nämlich Châtel-Gérard.

Ich bin in einem Kaff Dorf, ich habe bereits über 15 km in den Pfoten, woran denke ich? Richtig. Ans Trinken. Ich hatte keine Lust, extra einen Umweg zu laufen, um eventuell einen Friedhof zu finden, aber das brauche ich doch auch gar nicht mehr, entwickele ich mich doch zu einer perfekten Wasser-Schnorrerin. Ich sah eine Dame auf einem Balkon. Ich ging auf sie zu und fragte sie freundlich, ob sie ein Glas Wasser für mich hätte. Sie schaute mich völlig entgeistert an, als hätte ich sie gebeten, mir schnell einen Apfelkuchen zu backen, und ich warte hier solange, bis er fertig ist. "Na ja, ein Glas Wasser...", wiederholte ich, schon ganz kleinlaut. Die Dame rollte mit den Augen und sagte, ja, sowas habe sie wohl schon, und während sie ins Haus ging, murmelte sie noch, sie würde mir einfach eine ganze Flasche holen, denn was soll ich auch mit einem "Glas Wasser" machen. Da dämmerte mir erst, dass diese Dame absolut nicht realisiert hatte, dass ich mitten am Laufen war, sie dachte wohl, mein Hobby sei es, sonntags bei mir völlig unbekannten Leuten nach Wasser zu schnorren. Einigermaßen beklemmt stand ich also da und wartete, als aus der Garage des Hauses auf einmal ein Mann erschien, der mich gleich mit einem sehr herzlichen "Bonjour!!" begrüßte. Beim zweiten Blick auf ihn fiel mir auf, dass dieser Mann am Down-Syndrom litt. Und im Gegensatz zu der etwas begriffsstutzigen Dame peilte er die Lage sofort. Er fragte mich, ob ich am Laufen sei und ob ich etwas brauche? Ich entgegnete, dass ich gerne ein Glas Wasser hätte und das die Dame schon gefragt hätte, doch er brüllte sofort ins Haus, "Bring doch mal ein Glas Wasser für diese Läuferin mit heraus!" In dem Moment erschien auch die Frau wieder und sagte zu dem Mann, "was soll ich ihr denn ein Glas Wasser geben, ich gebe ihr lieber gleich eine ganze Flasche." Und noch bevor ich etwas entgegnen konnte, hatte der Mann ihr schon die Sachlage erklärt, "aber schau, die Dame ist doch mitten im Laufen, was soll sie denn mit einer Flasche Wasser? Soll sie die etwa beim Laufen mitschleppen? Sie will doch einfach nur einen Schluck Wasser trinken." Darauf schaute er mich an und sein Blick sagte, entschuldigen Sie bitte ihre Begriffsstutzigkeit. Ich zwinkerte zurück. Inzwischen hatte auch die Frau die Sachlage gepeilt, "ach sooo - Sie laufen? Sie wollen einfach nur ein Glas Wasser?", na, das hat aber auch gedauert!, und sie machte sich erneut auf den Weg, diesmal, um mir ein Glas (!) Wasser zu holen. In der Zwischenzeit unterhielt ich mich mit dem netten Herrn, der wissen wollte, wieviele Kilometer ich denn heute laufe. Als ich ihm sagte, na ja, es werden wohl so um die 22, haute es ihn fast um. Damit hab ich ihn aber so richtig beeindruckt. Er sagte nur, "wow, Sie sind aber kein Faulpelz, was? 22 Kilometer, ich fasse es nicht!" Mittlerweile hielt ich auch mein mir hart erarbeitetes Glas Wasser in der Hand, das die Dame, inzwischen schon sehr viel freundlicher, mir gereicht hatte. Ich trank es aus, bedankte mich nett und lief weiter und musste dann noch eine ganze Weile schmunzeln über diese hochinteressante Begegnung und darüber, wer da jetzt wem die Sachlage richtig erklärt hatte. Nett war das.

Als ich nach knapp 22 km dann wieder am Auto ankam, reichte es mir völlig, keinen Meter hätte ich weiterlaufen mögen.
Was für ein Glück, dass ich das auch nicht musste, was? ;-)

Sonntag, 2. September 2007

Nicht so schüchtern!

Heute wurden es knapp 26 Kilometer. Und diesmal konnte ich das tatsächlich ganz exakt ausrechnen, dank Kerstin aus Florida, die mir gesagt hat, ich solle es doch mal mit www.runningahead.com versuchen. Das ist ein ganz tolles Tool, mit dem man seine Streckenlängen ganz genau kalkulieren kann. Super Sache!
Und so habe ich mir heute morgen genau dort meine heutige Route ausgesucht, die mich zunächst über Villenotte nach Grignon führte. Grignon ist ein sehr hübsch gelegenes Dörfchen, das ganz oben an einer extrem steilen Ansteigung liegt, aber da hinzukommen, muss man sich erstmal verdienen - es ging richtig schön ordentlich steil hoch. Ich kam sogar an ein paar Weinbergen vorbei, und die sind im Auxois eher eine Seltenheit. In Grignon angekommen, bewunderte ich die atemberaubende Aussicht und hielt aber gleichzeitig nach einem Brunnen, nach einem Friedhof oder nach irgendetwas Flüssigem Ausschau - leider ohne Erfolg. Hm, trinken wäre jetzt schon nicht schlecht, was mach ich? Laufe ich weiter bis Lantilly, da weiß ich, dass es dort einen Friedhof gibt, oder haue ich das Ehepaar, das dort im Garten arbeitet, um ein Glas Wasser an? Ich hab viel zu lange gezögert, weil ich mir die Variante, nach Wasser zu fragen, eigentlich nur für wirkliche Notfälle aufhebe - aber warum eigentlich? In der Regel sind die Menschen sehr hilfsbereit und freuen sich, wenn sie helfen können. So war es auch in diesem Fall. Ich steuerte auf das Paar zu und fragte sie höflich, ob ich wohl ein Glas Wasser von ihnen bekommen könnte. Der Mann sagte sofort, "ja, aber natürlich!", und seine Frau überschlug sich fast, als sie ins Haus stürzte, um mir Wasser zu holen. Ich nehme mal an, mein roter Kopf tut da auch das Seine dazu.... Die Dame kam mit einem Glas und einer Flasche zurück und sagte zu mir, dass ich die Flasche gerne mitnehmen könne, wenn ich wolle. Ist das nicht lieb? Das habe ich dankend abgelehnt, habe mir das Glas aber gerne zweimal vollschenken lassen. Und als ich dann nach kurzem Smalltalk weitergelaufen bin, hab ich über meine eigene Zögerlichkeit den Kopf geschüttelt, wegen der ich fast um diese zwei erfrischenden Gläser Wasser gekommen wäre. Diese Leute waren riesig nett und wirklich froh, mir helfen zu können!



Von Grignon bis Lantilly ist es dann die ganze Zeit sehr flach - man läuft nämlich auf einer Hochebene, die sich recht weit hinstreckt. Der Wind geht da oben ganz ordentlich, und so war mir trotz der Sonne gar nicht mehr so warm. Als ich in Lantilly ankam, nahm ich mir gleich fest vor - wenn ich wieder Leute sehe, frage ich wieder nach Wasser, das muss ich jetzt üben. Und tatsächlich, auf einer Terrasse saß eine Gruppe von zwei Männern und zwei Frauen, bei denen der Apéritif schon eine ganze Weile anzudauern schien, dem Gelächter nach zu urteilen. Hier frage ich! Nachdem ich mein Bonjour und meine Bitte wieder vorgetragen hatte und die eine der beiden Frauen gleich ins Haus ging, um Wasser für mich zu holen (Wasser gab es bei ihrem Apéritif nämlich keines!) (Warum sind es eigentlich immer die Frauen und nie die Männer, die das Wasser holen?), fragte mich die zweite Dame, schon leicht angesäuselt, ob ich denn wirklich Wasser wolle. Ein schönes Glas Rotwein käme doch sicher viel besser. Und bestimmt käme ich nach einem Glas Wein auch viel schneller wieder bei mir zuhause an - wo auch immer das sei. Naaa? Ich blieb aber standhaft - und beim Wasser.
Dann ging es noch ein paar Kilometer weiter auf der Hochebene, bis ich an eine mir bekannte Kreuzung kam, an der ich mich entscheiden musste, ob ich direkt nach Semur weiterlaufen wollte, oder über Villars und Villenotte, was einen kleinen Umweg bedeutete. Da es mir gutging - dem Wein, äh, dem Wasser sei Dank! - entschied ich mich für die längere Strecke. Und von nun an ging es wieder sehr steil bergab. Da merke ich immer, wie sehr ich bremse. Ich glaube, ich laufe langsamer, wenn es so extrem steil bergab geht, als wenn es bergauf geht. Ich dachte auch an Berlin und dass meine Bergläufe für die Vorbereitung darauf ja mal völlig für die Katz sind, aber was soll's. Deswegen ziehe ich jetzt auch nicht nach Ostfriesland *g*.
Über Villars kam ich nach Villenotte, und nach Villenotte kommt auch schon die berühmt-berüchtigte Semurer Allee, die sich drei Kilometer lang hinzieht und mir jedesmal so vorkommt, als sei sie mindestens 50 km lang, wenn ich ganz am unteren Ende stehe:



Was hilft, um sich das Ganze mental ein bisschen zu erleichtern? Richtig! Die Greif'sche Endbeschleunigung! Je schneller ich laufe, umso schneller hab ich diese gefühlten 50-Allee-Kilometer hinter mir und bin daheim. Und so breezte ich los, was das Zeug hielt. Man kann sich da wirklich daran gewöhnen, an so ein Beschleunigen am Schluss!
Und so kam ich nach 2 Stunden und 51 Minuten vor meiner Haustür an, ausgelaugt, aber glücklich. Geschafft!