Doch doch, es gibt mich noch. Durchaus. Aber ich verbringe meine gesamte Freizeit auf dem Fahrrad, da bleibt einfach nicht mehr so viel Zeit zum Bloggen übrig.... ;-)
Zunächst einmal: ich bin nun schon seit zwei Wochen konsequent und laufe überhaupt gar nicht mehr. Natürlich fehlt es mir auf grausamste Art und Weise, das muss ich wohl nicht extra erwähnen, aber gleichzeitig spüre ich sehr genau, dass diese Entscheidung richtig und notwendig war, um den Kopf wieder ein bisschen freizubekommen und aus dem Teufelskreis rauszufinden. Was mich allerdings einigermassen nervös macht: seit ich nicht mehr laufe, sind meine Rückenschmerzen um Welten besser geworden. Nun habe ich natürlich Angst, dass wirklich ein Zusammenhang mit dem Laufen besteht und sie wiederkommen, wenn ich wieder laufe. Ich versuche aber, mich in diese Angst nicht allzusehr hineinzusteigern und lenke mich ab - indem ich radfahre.
Letzte Woche waren es 206 km, diese Woche waren es 210 km, das ist für einen Anfänger wie mich doch gar nicht so schlecht.
Meine Sitzprobleme gehören der Vergangenheit an, ob das nun an dem herrlich unsportlichen, aber sooo bequemen Gelüberzug liegt, den ich mir für meinen Sattel gekauft habe, oder einfach daran, dass ich mich daran gewöhne, weiss ich nicht, aber ich nehme es erleichtert zur Kenntnis.
Ich radle, als gäbe es kein Morgen mehr, durchs bildschöne Allgäu (was für ein absolutes Radfahrerparadies!! Die wunderschönsten Kitschlandschaften gepaart mit der Tatsache, dass es so gut wie überall Radwege gibt, es ist einfach ein Traum), durchs wunderhübsche Elsass in Richtung Vogesen (man kann dem fiesen Autoverkehr einigermassen entkommen, wenn man in die Weinberge ausweicht, allerdings wird man dann mit Steigungen belohnt, die etwa so: / aussehen) und heute zum ersten Mal auch per Drahtesel bis hinüber ins Ausland, ins Breisgau-Tuniberg-Hochschwarzwald-Gebiet.
Der Tag verspricht sonnig und frisch zu werden, es ist ideal, also schwinge ich mich um elf aufs Rad und fahre los in Richtung Osten. Ich mache kleine Umwege über die Dörfer, um dem starken Verkehr auf der Hauptstrasse zwischen Colmar und Breisach zu entgehen, und erreiche nach ca. 25 km die Grenze, über die ich schon sooooooo oft gefahren bin, aber noch nie mit dem Fahrrad. Ich merke schnell, dass ich in Deutschland bin, denn auf einmal gibt es überall Radwege, das ist schön. Ich fahre von Breisach über Ihringen nach Merdingen, in die ehemalige Heimat von Jan Ullrich, und da es inzwischen viertel vor eins ist, beschliesse ich, hier zu Mittag zu essen. Ich folge einem Schild, das mich zum Gasthof Keller führt, und der Platz, an dem sich dieser Gasthof befindet, heisst doch tatsächlich "Jan Ullrich Platz". Ich schliesse mein bestes Stück sorgfältigst ab und betrete die Gaststube, und dann bin ich erst einmal geblendet von den tausenden und abertausenden (*masslos übertreib*) Jan-Ullrich-Fotos, Plakaten und Autogrammkarten, die hier überall hängen, mei, die Merdinger sind aber schon sehr stolz auf ihren ehemaligen berühmten Einwohner. Ich studiere die Karte und entscheide mich für ein Putenschnitzel mit Pilzrahmsosse und Spätzle, hmmm, das scheint mir angemessen für eine fleissige Radlerin, die ich bin, und ich mache entsetzte Augen, als mir ein paniertes Schnitzel mit Bratensosse und Pommes gebracht wird. Suuuper, der Hase hat die falsche Nummer angegeben, selber schuld, na gut, dann gibt es eben paniertes Schnitzel mit Pommes, es wird mich nicht umbringen, aber ich ärgere mich über meine eigene Blödheit.
Nach dem Mahl mache ich mich frisch gestärkt auf, um meine Tour fortzusetzen, und ich beschliesse, die drei Kilometer weiter bis nach Waltershofen zu fahren, wo ich von 1997 bis 1999 gewohnt habe (und einmal ist Ulle auch höchstpersönlich auf seinem Flitzer an mir vorbeigerauscht, ich habe ihn genau erkannt).
Jetzt merke ich, warum Ulle sich Merdingen als Wohnort ausgesucht hat - man kann hier hervorragend das Bergfahren trainieren. Durch die Weinberge kämpfe ich mich in Richtung Waltershofen, es geht solche: / Berge hinauf, ich fahre mit 7 km/h und einem gefühlten Puls von 220 Schlägen pro Minute, und ich sage mir immer wieder nur mantramässig vor, "nein, ich steige nicht ab, nein, ich steige NICHT ab, nein, ich steige nicht ab, verdammt nochmal!!". Und es hilft, denn ich steige tatsächlich nicht ab, und das ganz ohne EPO. Von Waltershofen geht es dann weiter bis nach Gottenheim und Bötzingen, immer durch die Weinberge mit einer herrlichen Aussicht auf den Kaiserstuhl, und von Bötzingen bis Breisach führt ein herrlich flacher, grüner, nicht enden wollender Radweg durch Maisfelder, Apfel- und andere Obstanbaugebiete, 13 Kilometer lang, die Sonne scheint und es ist eine Wonne, ich habe den Wind im Rücken und sause mit knapp 30 Sachen dahin.
Wieder in Breisach angekommen, stelle ich fest, dass ich schon über 60 km gefahren bin, das ist weit mehr, als ich überhaupt jemals gefahren bin (das Weiteste waren bisher 50 km), und dabei habe ich doch noch gut 25 km bis nach Hause. Aber es geht mir ja gut und die Sonne scheint, also weiter. Wieder über die Grenze, ich bin zurück in Frankreich, und diesmal wähle ich andere Dörfer als auf der Hinfahrt aus, die mich weg von der Hauptstrasse und dennoch zurück in Richtung Colmar führen.
Gibt es eigentlich ein Gesetz, das sagt, dass der Gegenwind immer auf den letzten 15 Kilometern am fiesesten sein muss? Er bläst wie wild und ich kämpfe, fast sehne ich mich nach dem Berg in Merdingen zurück, aber nur fast.
Als ich dann nach ziemlich genau 4 Stunden reiner Fahrzeit wieder vor meiner Haustüre ankomme, sagt der Tacho doch tatsächlich 88 Kilometer, wow, nicht schlecht. Wenn ich dann vom Rad absteige, hab ich immer so ein nettes Gummigefühl in den Beinen, das mir sagt, dass ich was getan habe, ich mag das!
Dunkle Tage
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Kurz noch ein Thema, das ich bereits vor Wochen angeschnitten hatte: Das
Blogsterben: in den 17 Jahren, in denen ich kontinuierlich und sehr gerne
blogge, ...
vor 2 Tagen